Radikale bei der Bundeswehr: Wie die Truppe Rechts­ex­t­reme los­werden kann

von Simon Gauseweg, LL.B.

12.05.2017

2/2: Schwere Fälle übernehmen die Juristen

Reicht eine einfache Disziplinarmaßnahme zur Ahndung des Dienstvergehens nicht aus, wird der Disziplinarvorgesetzte die Sache einem Divisionskommandeur oder einem höheren Disziplinarvorgesetzten bis hin zur Bundesministerin der Verteidigung vorlegen. Der daraufhin Zuständige entscheidet als sog.  Einleitungsbehörde darüber, ob ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wird. Lehnt er die Einleitung ab, hat der Bundeswehrdisziplinaranwalt (lies: "Bundes-Wehrdisziplinaranwalt") die Möglichkeit, ein Verfahren zu erzwingen.

Am Ende eines solchen gerichtlichen Disziplinarverfahrens können Maßnahmen stehen, die von einer Kürzung der Dienstbezüge über Beförderungsverbot und Herabsetzung in Besoldungsgruppe oder Dienstgrad bis hin zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis reichen.

Die Ermittlungen (und ggf. auch die Vorermittlungen vor der Entscheidung der Einleitungsbehörde) führen die Wehrdisziplinaranwälte. Sie sind keine Soldaten, sondern zivile Beamte mit der Befähigung zum Richteramt und Teil der Rechtspflege der Bundeswehr.

Ihre Stellung in den Ermittlungen ähnelt der einer Staatsanwaltschaft im Strafverfahren. Das heißt, sie können u.a. bei anderen Behörden Akten anfordern, Auszüge aus dem Zentralregister einholen oder Zeugen vorladen – auch solche, die nicht der Bundeswehrangehören. Wie die Staatsanwaltschaft auch, soll der Wehrdisziplinaranwalt neutral ermitteln und auch entlastende Umstände zu Tage fördern.

Wie es mit Franco A. und Maximilian T. weitergehen könnte

Es steht zu erwarten, dass nach Abschluss der generalbundesanwaltschaftlichen Ermittlungen deren Ergebnisse in ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen Franco A. und ggf. auch dessen mutmaßlichen Komplizen Maximilian T. einfließen werden.

Die Wehrdisziplinaranwaltschaft verfasst eine Anschuldigungsschrift, wenn sie von der Schuld des Soldaten überzeugt ist. Sie ähnelt der Anklageschrift in einem Strafverfahren. Ein Zwischenverfahren mit gerichtlicher Entscheidung über die Zulassung findet jedoch nicht statt: Nachdem der Soldat Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, wird das zuständige Truppendienstgericht die Hauptverhandlung anberaumen. Auch der Erlass eines Disziplinarbescheids, der letztlich einem Strafbefehl ähnelt, ist möglich.

Die Hauptverhandlung ähnelt der eines Strafprozesses. Sie ist grundsätzlich nicht öffentlich, kann auf Antrag des Soldaten aber öffentlich geführt werden. Nur wenn es zwingend zum Schutz der Bundeswehr nötig ist, kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.

Das Urteil des Truppendienstgerichts kann auf Einstellung des Verfahrens, Freispruch oder Verhängung einer Disziplinarmaßnahme lauten. Gegen letztere kann sich der Soldat mit der Berufung zu einem Wehrdienstsenat beim Bundesverwaltungsgericht wehren, der abschließend entscheidet.

Die Wehrdisziplinaranwaltschaft vollstreckt die Maßnahme und arbeitet dazu mit den entsprechenden Dienststellen der Bundeswehr zusammen.

Entlassung kann schnell gehen

Statt durch ein gerichtlichen Disziplinarverfahrens kann der Soldat auch durch Entlassung aus dem Dienstverhältnis entfernt werden. Diese ist gemäß § 55 Abs. 5 Soldatengesetz (SG) fristlos möglich, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat. Voraussetzung ist aber, dass "sein Verbleiben im Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde".

Die mit Gründen versehene Entlassungsverfügung durch einen Großverband oder eine Kommandobehörde ist Verwaltungshandeln, das den Soldaten in seinem Status betrifft und das er somit als Verwaltungsakt nach  allgemeinem Verwaltungsrecht  angreifen kann. Nach einem Widerspruchsverfahren ist mithin Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht möglich.

Von der Entlassungsmöglichkeit macht die Bundewehr vor allem in Fällen von Betäubungsmittelmissbrauch und Rechtsextremismus regen Gebrauch, aber auch Straftaten können schnell zu einer Entlassung führen.

Zumindest diese Maßnahme käme im Fall von Franco A. aber zu spät: Eine Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG ist nur in den ersten vier Dienstjahren zulässig – der 28-Jährige ist bereits seit gut acht Jahren bei der Truppe.

Der Autor Simon Gauseweg, LL.B. ist Reserveoffizier der Bundeswehr. Seine Aufgabenbereiche "in Uniform" weisen meistens deutliche wehrrechtliche Bezüge auf. Zivil studiert er an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), wo er derzeit sein erstes Staatsexamen ablegt.

Zitiervorschlag

Radikale bei der Bundeswehr: . In: Legal Tribune Online, 12.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22904 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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