Im Ausländer- und Asylrecht tätige Anwälte haben einen Brandbrief an den Bundesjustizminister geschrieben. Sie halten die Pläne im Asylpaket II für "unerträglich" und verfassungswidrig.
Mit dem als "Asylpaket II" bezeichneten Maßnahmenbündel würden sehenden Auges Gesetze missachtet; es sei "unerträglich", dass der SPD-Justizminister das Reformvorhaben mittrage, schreibt eine Gruppe von 218 ganz überwiegend im Ausländer- und Asylrecht sowie zum Teil im Strafrecht tätigen Anwälten. Die Pläne seien ein "massiver Angriff auf das Grundrecht auf Asyl, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und den Rechtsstaat", heißt es.
Geplant ist nach dem Entwurf unter anderem, die Rückführung bei Krankheit der Flüchtlinge zu erleichtern. So sollen auch lebensbedrohlich erkrankte Personen abgeschoben werden, wenn die Krankheit schon vor der Einreise bestand oder eine medizinische Versorgung im Herkunftsland theoretisch möglich ist, ohne, dass dies im Einzellfall geprüft werden müsse. Zudem sollen die Anforderungen an Form, Inhalt und Vorlage von ärztlichen Attesten, die eine Abschiebung verhindern können, verschärft werden.
"Schon bisher ist es schwierig, die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten formalen Vorgaben an die ärztlichen Atteste zu erreichen", sagt Juliane Scheer, Rechtsanwältin in München und eine der Unterzeichnerinnen des Brandbriefes. Durch die Neuregelung werde die schwere gesundheitsliche Schädigung von Menschen in Kauf genommen, heißt es in dem gemeinsamen Brandbrief der Anwälte. "Es wäre ein massiver Eingriff in die Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S.1 Aufenthaltsgesetz, wenn diese Pläne umgesetzt würden." Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes stelle "eine Abschiebung einen Eingriff in das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit dar, wenn der Betroffene etwa aus gesundheitlichen Gründen im Heimatland mit der Gefahr einer erheblichen alsbaldigen Verschlechterung seines Zustandes rechnen muss, etwa weil er dort medizinische Versorgung nicht bekommen kann", sagt die Anwältin.
Die Pläne, lebensbedrohlich erkrankte Personen abzuschieben, wenn die Krankheit schon vor der Einreise bestand oder eine medizinische Versorgung im Herkunftsland theoretisch möglich ist, sieht sie mit Schrecken. "Ob der Zugang zu medizinischer Versorgung tatsächlich möglich ist, wird nicht mehr geprüft", so Scheer. Eine Einzelfallprüfung solle entfallen.
Voßkuhle: "Asylrecht gilt für jedermann"
Schon jetzt sei feststellbar, dass die proklamierte Null-Toleranz-Politik Auswirkungen etwa auf Strafverfahren habe. "Selbst bei Bagatelldelikten entsteht inzwischen der Eindruck, dass gegen Migranten bewusst so hohe Strafen verhängt werdem, dass diese sich ausländerrechtlich auswirken. Die Verfahren werden auch seltener eingestellt als bei anderen, vergleichbaren Taten", sagt Scheer.
Die Ausweisungsvorschriften bezeichnet sie schon in ihrer jetzigen Form als sehr strikt. Wer ausgewiesen würde, aus rechtsstaatlichen Gründen aber nicht abgeschoben werden könne, erhalte den rechtliche Status der "Duldung". Damit entfiele z.B. der Anspruch auf Kindergeld und praktisch oftmals auch die Möglichkeit, etwa ein Ausbildungsverhältnis einzugehen. Wegen der Anknüpfung an den Aufenthaltsstatus im Sozialrecht sei es auch fast unmöglich, z.B. eine Drogentherapie genehmigt zu bekommen, und Geduldete hätten erhebliche Schwierigkeiten, gerade in Ballungsgebieten eine Wohnung zu finden. "Ich habe das Gefühl, das ist uferlos, ohne über die Folgen nachzudenken", so Scheer.
Andreas Voßkuhle sagte beim Forum Politik von phoenix und Deutschlandfunk, die Integration von Fremden sei Teil der Identität des Grundgesetzes, dessen Geist von Integration geprägt sei. "Man muss das Grundgesetz nicht lieben, aber man muss es respektieren", so der Präsident des Bundesverfassungsgerichts am Dienstag in Berlin.
Voßkuhle forderte aber auch, die Begriffe Asyl und Zuwanderung nicht zu vermischen. Während das Asylrecht für jedermann gelte, könne die Zuwanderung beschränkt werden. "Indem wir das vermischen, haben wir uns in der Öffentlichkeit viele Probleme geschaffen, was nicht notwendig gewesen wäre."
tap/LTO-Redaktion
Anwälte kritisieren Asylpaket II: . In: Legal Tribune Online, 21.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18207 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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