Nach Recherchen von SZ, NDR und WDR soll das BMJV früh über Ermittlungen gegen die Journalisten von Netzpolitik informiert gewesen sein. Im BMJV werde an einem Gutachten gearbeitet, der Sachbearbeiter der Bundesanwaltschaft sei im Urlaub.
Wie der Rechercheverbund aus Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR meldet, wussten das Bundesjustiz- sowie weitere Ministerien bereits seit dem 27. Mai über das zwei Wochen zuvor durch den Generalbundesanwalt eingeleitete Verfahren wegen Landesverrats Bescheid. Insbesondere, und anders, als bislang aus Regierungskreisen verlautete, sei leitenden Beamten bekannt gewesen, dass das Verfahren sich auch gegen die Betreiber des Portals netzpolitik.org richten würde. Nach Mitteilung des Justizministeriums habe man die Generalbundesanwaltschaft noch im Mai vor Ermittlungen gegen die Journalisten "gewarnt". Die Bundesanwaltschaft spricht indes nur von allgemeinen Hinweisen, dass ihr Vorgehen "problematisch" sein könne.
Das inzwischen landesweit bekannte und von Beobachtern nahezu einhellig als unhaltbar beurteilte Verfahren entwickelt sich zusehends zum Desaster für die beteiligten Stellen. Justizminister Heiko Maas soll ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben haben, welches wohl gegen Ende der Woche vorgestellt werden und zu dem Ergebnis gelangen soll, dass der Tatbestand des Landesverrats nicht verwirklicht wurde. Der eigentlich hierfür von der Bundesanwaltschaft beauftragte Experte soll indes im Sommerurlaub weilen. Sollte dies stimmen, so würde es die Liste schwer begreiflicher Handlungen der Behörde ergänzen und die vielfach in der Politik und den Medien geäußerten Rufe nach einer Entfernung des Generalbundesanwalts Harald Range aus dem Dienst weiter befeuern.
Doch auch Grad und Zeitpunkt der Kenntnis anderer Stellen dürfte bedeutsam werden. Verfassungsschutzpräsident Maaßen, auf dessen Anzeige die Ermittlungen zurückgehen, soll gewusst haben, dass diese sich auch gegen Journalisten richten würden. Inwieweit Justizminister Maas selbst über die Erkenntnisse, die jedenfalls seinem Haus vorgelegen haben sollen, im Bilde war, ist unklar – da er gegenüber Range weisungsbefugt ist, würde auch er sich die Frage gefallen lassen müssen, warum er die in seinem Hause vorgeblich vorhandenen Zweifel nicht früher und dringlicher zur Geltung gebracht hat.
cvl/LTO-Redaktion
Nach Recherchen von SZ, NDR und WDR: . In: Legal Tribune Online, 02.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16468 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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