BGH zum Dieselskandal: Lea­sing hat einen eigenen Wert

16.09.2021

Wer ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug geleast hat, hat keinen Anspruch auf Erstattung der Leasingraten. Der Vorteil des Leasingvertrags hat sich laut BGH realisiert, wenn das Fahrzeug über die gesamte Leasingzeit nutzbar war. 

Diesel-Kläger, die ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Auto geleast haben, bekommen geleisteten Leasingraten nicht zurück. Anders als beim Autokauf gibt es hier keinen Anlass für Schadensersatz, wie der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag entschied (Urt. v. 16.09.2021, Az. VII ZR 192/20). Damit haben sich die Karlsruher Richterinnen und Richter zum ersten Mal mit der Frage beschäftigt, ob auch Leasingnehmerinnen und -nehmer im Dieselskandal Ansprüche geltend machen können.

Im konkreten Fall hatte der Kläger aus Baden-Württemberg seinen Audi mit dem Skandalmotor EA189 vier Jahre lang geleast und dann gekauft. Außer den Leasing-Raten wollte er - abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer - den Kaufpreis zurück. Laut BGH habe der Kläger mit dem Abschluss des Leasingvertrags aber eine vom Kauf grundverschiedene Investitionsentscheidung getroffen, die es rechtfertige, den anzurechnenden Nutzungsvorteil anders als beim Kauf zu bestimmen. 

Beim Leasing erwerbe man das Recht, ein Auto für eine bestimmte Zeit zu den mit dem Leasinggeber vereinbarten Bedingungen zu nutzen. Sei die Nutzung über die vereinbarte Dauer uneingeschränkt möglich gewesen, habe der Kunde den Vorteil, für den er bezahlt habe, voll realisieren können. Der Vorteil kompensiere in diesem Fall den gesamten mit den Leasingzahlungen verbundenen finanziellen Nachteil. "Dies entspricht der Situation eines Fahrzeugkäufers, der die Laufleistungserwartung des Fahrzeugs ausgeschöpft hat", so der BGH in einer Mitteilung. Eine Ausnahme ist für den BGH höchstens denkbar, wenn von vornherein die spätere Übernahme des Autos vereinbart wurde. Über diese Konstellation war aber nicht zu entscheiden.

BGH: Leasing hat zeitraumbezogenen Wert

Leasing sei deshalb anders zu bewerten als der Kauf. Der Käufer eines Fahrzeugs erwerbe die Möglichkeit, das Fahrzeug ohne zeitliche Begrenzung bis zum Eintritt der Gebrauchsuntauglichkeit zu nutzen. Kaufpreiszahlung und Gesamtnutzung stehen sich laut BGH beim Kauf "kongruent" und daher anrechenbar gegenüber. Die besondere Fahrzeugnutzung beim Leasing habe aber einen eigenen, grundsätzlich zeitraumbezogenen Wert, der den Leasingzahlungen anrechenbar gegenübersteht und für den der vereinbarte Leasingpreis einen tauglichen Anhaltspunkt bilde. Anhaltspunkte dafür, dass der objektive Leasingwert geringer gewesen wäre als der vereinbarte Leasingpreis, sah der BGH in dem Fall nicht. 

Auch wegen des Kaufpreises geht der Kläger möglicherweise leer aus. Er hatte nicht die Konzernmutter Volkswagen, sondern die Tochter Audi verklagt. Für eine Verstrickung von Audi-Verantwortlichen in den Skandal fehlen dem BGH bisher hinreichende Anhaltspunkte. Das Berufungsgericht habe nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass diese die objektiven und subjektiven Tatbestandvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht haben. Der Kläger bekommt aber noch einmal die Möglichkeit, dazu am Stuttgarter Oberlandesgericht Konkreteres vorzutragen. Der Motor EA189 mit der illegalen Abgastechnik wurde auch bei Audi eingesetzt, aber bei VW entwickelt.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zum Dieselskandal: . In: Legal Tribune Online, 16.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46032 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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