Weil der Kläger seine Revision kurzfristig zurückgenommen hat, kann der BGH doch nicht die Frage klären, ob VW seine Dieselkunden nach der Abschalteinrichtung auch mit dem eingebauten Software-Update vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat.
Ein höchstrichterliches Urteil zum Software-Update für vom VW-Abgasskandal betroffene Diesel-Fahrzeuge lässt weiter auf sich warten. Eigentlich wollte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Montag zu der Frage verhandeln. Nun fällt der Termin aus. Der klagende Autokäufer habe seine Revision zurückgezogen, teilte der BGH am Freitag mit (Az. VI ZR 513/20). Eine zweite Verhandlung zu möglichen Schadenersatz-Ansprüchen gegen die Konzerntochter Audi soll wie geplant stattfinden (Az. VI ZR 505/19).
Das Software-Update musste nachträglich aufgespielt werden, um die unzulässige Abschalteinrichtung in Millionen Fahrzeugen zu entfernen. Sie hatte heimlich dafür gesorgt, dass die Diesel-Autos in Tests deutlich weniger giftige Stickoxide ausstießen als im Straßenverkehr.
Der Kläger hatte Volkswagen vorgeworfen, mit dem Update eine neue unzulässige Technik aktiviert zu haben. Nun schwanke der Schadstoffausstoß je nach Außentemperatur. Auf diese Karte setzen vor Gericht vor allem Diesel-Besitzer, die ihr Auto erst nach Auffliegen des Skandals im Herbst 2015 gekauft haben. Ihnen steht nämlich nach der bisherigen BGH-Rechtsprechung kein Schadenersatz von VW zu, denn dem Konzern könne danach keine Täuschung mehr vorgeworfen werden.
VW strebte höchstrichterliche Entscheidung an
Das Landgericht (LG) Stuttgart hielt das Update aber nicht für ausreichend und sprach dem Kläger einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu. Auch die "Thermofenster" genannte Technik, durch die die Abgasreinigung nur innerhalb eines bestimmten Temperaturfensters funktioniert, hielt Das LG für eine unzulässige Abschaltvorrichtung.
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hatte die Klage zuletzt abgewiesen – wie unter anderem auch das OLG Düsseldorf in einem vergleichbaren Fall. VW habe dem Autokäufer mit dem Software-Update nicht in einer gegen die guten Sitte verstoßenden Weise einen Schaden zugefügt. Selbst das Kraftfahrtbundesamt und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hätten die gewählte technische Lösung als rechtskonform angesehen. Deswegen könne VW bei dem Einbau nicht besonders verwerflich gehandelt haben (Urt. v. 04.03.2020, Az. 4 U 526/19).
VW hält Ansprüche wegen des sogenannten Thermofensters in dem Software-Update für ausgeschlossen und ist an einer zügigen Entscheidung des BGH interessiert, wie ein Sprecher mitteilte. Sie könne Auswirkungen auf Tausende laufende Verfahren haben. Volkswagen habe sich mit dem Kläger nicht verglichen oder anderweitig auf die Rücknahme der Revision hingewirkt, betonte das Unternehmen in einer Erklärung am Freitag. Dabei geht es nicht nur um die in den vergangenen Jahre gegen das Unternehmen erhobenen Vorwürfe, VW verhindere letztinstanzliche Entscheidungen des BGH, um Präzedenzurteile zu vermeiden. VW-Rechtsvorständin Hiltrud Werner erklärte zudem: "Wir sehen, dass sich in Deutschland eine Klageindustrie entwickelt hat, der es nicht mehr um die rechtliche Klärung für ihre Mandanten geht, sondern um die eigenen Gebühren."
Ursprünglich hatte sogar noch ein zweiter Fall zum Software-Update verhandelt werden sollen, hier wurde die Revision schon im Januar zurückgezogen. Auch Daimler wird wegen eines Thermofensters in Diesel-Fahrzeugen massenhaft verklagt. Und auch hierüber konnte der BGH noch nicht verhandeln, weil die Kläger einen Rückzieher machten.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
Dieselskandal: . In: Legal Tribune Online, 12.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44320 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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