BGH-Verhandlung zum Fall Pechstein: Urteil zunächst auf Eis gelegt

08.03.2016

Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen, aber Claudia Pechstein und ihre Anwälte zeigten sich am Dienstag nach der BGH-Verhandlung optimistisch. Es wäre ein Sieg, der die Sportsgerichtsbarkeit verändern kann. 

Claudia Pechstein wirkte nach dem vielleicht wichtigsten Tag ihrer Karriere optimistisch und auch etwas gelöst. "Ich habe ein gutes Gefühl. Und das Gefühl ist entscheidend auf dem Eis und abseits des Eises", sagte die Berlinerin nach der mehr als zweistündigen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe. Der Kartellsenat hat noch keine Entscheidung über die Revision des Eislauf-Weltverbandes (ISU) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München in der Schadensersatzklage der fünfmaligen Eisschnelllauf-Olympiasiegerin gesprochen.

Wie die Senatsvorsitzende Bettina Limperg mitteilte, wird das Urteil am 7. Juni verkündet. "Der Senat hat noch gar nichts rausgelassen, wohin er tendiert", erklärte Prozessbeobachter und Sportrechtler Michael Lehner gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Er habe weiter die Hoffnung, dass im Juni eine ganz große Entscheidung für die Sportgerichtsbarkeit gefällt werde. Die "größeren Argumente" habe es für die Pechstein-Seite gegeben, fügte der Heidelberger hinzu.

Die Eisschnellläuferin behauptet, nie gedopt zu haben und kämpft mit ihrer Schadensersatzklage über fünf Millionen Euro gegen ihre Zwei-Jahres-Sperre durch die ISU - und um die Wiederherstellung ihres ramponierten Rufs. Aber es geht um mehr: Der BGH wird darüber entscheiden, ob eine von Pechstein unterzeichnete Schiedsvereinbarung über die alleinige Zuständigkeit des Court of Arbitration for Sports (CAS) in Lausanne wirksam ist. Das OLG München hatte die 2009 getroffene Vereinbarung zwischen Pechstein und der ISU für unwirksam erklärt, die Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofes CAS zu ihrer Sperre erkannten die Münchner Richter nicht an.

Kartellamt: CAS kann gegen Kartellrecht verstoßen

Sie habe in der Vergangenheit Ausdauer bewiesen und werde das auch weiter tun, sagte die  44-Jährige am Dienstag. "Mein Ziel ist ganz klar. Ich will, dass die Gerechtigkeit siegt." Davon könnten dann auch andere Sportler profitieren, die, wenn Pechstein vor dem BGH siegen würde, künftig die Wahl hätten zwischen dem Gang zur Sportschiedsgerichtsbarkeit und dem Zivilrechtsweg, erklärte Pechstein.

Sportrechtler Lehner sah wichtige Argumente pro Pechstein auch im Vortrag des Vertreters des Bundeskartellamts vor Gericht. Jörg Nothdurft, Abteilungsleiter Recht im Kartellamt, erläuterte zwar die Vorteile der Schiedsgerichte wie die Beschleunigung der Verfahren und die Konzentration der Zuständigkeiten. Der internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne sei eine "zentrale Stelle mit hoher technischer Expertise", aber seine Organisation könne "immer noch gegen Kartellrecht verstoßen". Er bezeichnete ein "Herauffahren der Neutralität" am Sportgerichtshof für angebracht - und folgte damit der Argumentation von Pechstein.

Deren BGH-Anwalt Gottfried Hammer verdeutlichte, dass sich seine Mandantin nicht generell gegen die Idee internationaler Schiedsgerichte wende. Aber ein Schiedsgericht müsse "sich an den Maßstäben aller Rechtsordnungen messen lassen, von denen es anerkannt werden will". Entscheidend sei, ob die Klägerin freiwillig gehandelt habe, als sie sich dem CAS unterworfen habe.

Wie neutral ist der CAS?

Hingegen argumentierte ISU-Anwalt Reiner Hall in der Verhandlung, die mit 25-minütiger Verspätung begonnen hatte, dass Pechstein "sich sehenden Auges auf die Athletenvereinbarung eingelassen" habe. Als er einräumte, dass sie ohne die Unterschrift nicht zum Wettkampf zugelassen worden wäre, reagierte Pechstein mit einem Grinsen.

Auch der zweite ISU-Anwalt Christian Keidel wehrte sich gegen Argumente der Gegenseite: "Den Vorwurf, dass das Schiedsgericht hauptsächlich durch Verbandsvertreter besetzt ist, sehen wir nicht so".

Hingegen meinte Pechsteins Münchner Anwalt Thomas Summerer, der gemeinsam mit der Berlinerin und ihrem BGH-Rechtsbeistand Hammer auf der Kläger-Seite Platz genommen hatte: "Ich bin sehr zufrieden mit dem Verlauf." Wenn der Sportgerichtshof CAS nicht neutral sei, dann könne auch das Urteil im Fall Pechstein keinen Bestand haben, argumentierte er.

Der CAS hatte 2009 die Sperre gegen Pechstein wegen erhöhter Blutwerte bestätigt. Internationale Hämatologen haben inzwischen aber nachgewiesen, dass die Blutwerte von einer vom Vater geerbten Anomalie herrühren.

dpa/acr/pl/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH-Verhandlung zum Fall Pechstein: . In: Legal Tribune Online, 08.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18714 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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