Sonst eher mit der Auslegung von Normen und Klauseln befasst, musste der BGH in einem Urteil vom Dienstag die Worte der klagenden Buchautorin und Journalistin auf ihre Bedeutung überprüfen. Das Hamburger Abendblatt hatte ihr Lob des Mutterbildes im Nationalsozialismus vorgeworfen und damit ganz richtig gelegen, entschieden jetzt die Richter.
Der Bericht des Hamburger Abendblatts über die Pressekonferenz der klagenden Buchautorin verletze nicht ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht, urteilte der für den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. 21.06.2011, Az. VI ZR 262/09).
Zwar schütze das Allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht am eigenen Wort und auch davor, dass keine Äußerungen unterstellt werden, wenn dadurch die Privatsphäre oder der soziale Geltungsanspruch beeinträchtigt werden. Der grundrechtliche Schutz wirke nicht nur gegenüber Fehlzitaten, sondern auch vor verfälschter oder entstellter Wiedergabe, so die Karlsruher Richter.
Der Senat konnte aber gerade keine falsche oder entstellende Wiedergabe von Äußerungen der Klägerin feststellen. Die umstrittenen Worte der Klägerin ließen im Gesamtzusammenhang unter Beachtung der Wortwahl, des Kontextes der Gedankenführung und der Stoßrichtung nur diejenige Deutung zu, die die beklagte Zeitung ihr beigemessen habe.
Wortlaut der Pressekonferenz und des Artikels
Anlässlich der Vorstellung ihres Buches "Das Prinzip Arche Noah – warum wir die Familie retten müssen" hatte sich die Klägerin wie folgt geäußert:
"Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen auch 'ne Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien. Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde.
Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das - alles was wir an Werten hatten - es war 'ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle - aber es ist eben auch das, was gut war - das sind die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt - das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben."
Daraufhin war im "Hamburger Abendblatt" vom 7. September 2007 sowie im Internet ein Artikel mit folgendem Wortlaut erschienen:
"'Das Prinzip Arche Noah' sei wieder ein 'Plädoyer für eine neue Familienkultur, die zurückstrahlen kann auf die Gesellschaft', heißt der Klappentext. Die Autorin, 'die übrigens in vierter Ehe verheiratet ist, will auch schon festgestellt haben, dass die Frauen 'im Begriff sind, aufzuwachen', dass sie Arbeit und Karriere nicht mehr unter dem Aspekt der Selbstverwirklichung betrachten, sondern unter dem der 'Existenzsicherung'. Und dafür haben sie ja den Mann, der 'kraftvoll' zu ihnen steht.
In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat. Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende."
Die Klägerin hatte sich als falsch zitiert gesehen, eine schwerwiegende Verletzung ihres Persönlichkeitsrecht gerügt und eine Geldentschädigung verlangt. Laut den Karlsruher Richtern sei ihr Persönlichkeitsrecht durch den Bericht aber nicht beeinträchtigt worden. Der BGH entschied damit anders als die Vorinstanzen, vor denen die Klage noch im Wesentlichen erfolgreich war.
ssc/LTO-Redaktion
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BGH: . In: Legal Tribune Online, 21.06.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3560 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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