Ist es zulässig, mit "natürlichen Aromen" zu werben und Himbeeren sowie Vanilleblüten auf der Verpackung darzustellen, wenn der darin befindliche Tee beides nichts enthält, der verwendete Ersatzstoff aber im Zutatenverzeichnis angegeben wird? Diese Frage wollte der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des BGH nicht beantworten und legte sie am Mittwoch dem EuGH vor.
Die Beklagte in dem Verfahren ist ein namhaftes deutsches Teehandelsunternehmen. Sie vertreibt unter der Bezeichnung "FELIX HIMBEER-VANILLE ABENTEUER" einen Früchtetee, auf dessen Verpackung sich Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten sowie die Hinweise "nur natürliche Zutaten" und "FRÜCHTETEE MIT NATÜRLICHEN AROMEN" befinden. Tatsächlich enthält der Tee aber keine Bestandteile oder Aromen von Vanille oder Himbeere.
Das hält der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände für irreführend. Aufgrund des Produktnamens, der Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten und des Zusatzes "nur natürliche Zutaten" im goldenen Kreis erwarte der Verbraucher, dass der Tee Bestandteile von Vanille und Himbeere, jedenfalls aber natürliches Vanillearoma und natürliches Himbeeraroma enthalte. Er hat die Beklagte aus diesem Grund auf Unterlassung und Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.
Wie mündig ist der "mündige Verbraucher"?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Verfahren nun ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorgelegt, ob die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 der Richtlinie über die Etikettierung von Lebensmitteln durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellung den Eindruck des Vorhandenseins einer bestimmten Zutat erwecken dürfen, obwohl die Zutat tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 dieser Richtlinie ergibt.
Der EuGH hat in der Vergangenheit in Fällen, in denen sich die zutreffende Zusammensetzung eines Lebensmittels aus dem Zutatenverzeichnis ergab, die Gefahr einer Irreführung als gering eingestuft, weil er davon ausgeht, dass der mündige Verbraucher die ihm gebotenen Informationsmöglichkeiten wahrnimmt. Nach Ansicht des BGH können diese Grundsätze aber dann nicht gelten, wenn der Verbraucher aufgrund der Angaben auf der Verpackung bereits die eindeutige Antwort auf die Frage erhält, ob der Geschmack des Produkts durch aus Himbeerfrüchten und Vanillepflanzen gewonnene Aromen mitbestimmt wird. In einem solchen Fall hat nach Ansicht des BGH auch der mündige Verbraucher keine Veranlassung mehr, sich anhand des Zutatenverzeichnisses zusätzlich zu informieren (Beschl. v. 26.02.2014, Az. I ZR 45/13).
cvl/LTO-Redaktion
BGH zu irreführender Werbung: . In: Legal Tribune Online, 28.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11207 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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