BGH: Auslegung des Zuschlags nach einem verzögerten Vergabeverfahren

von plö/LTO-Redaktion

23.07.2010

Der unter anderem für das Baurecht zuständige VII. Zivilsenat hat sich in zwei weiteren Verfahren mit der Frage befasst, ob dem Bauunternehmer ein Anspruch auf Mehrvergütung wegen einer Bauzeitverschiebung nach einem verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren zusteht.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits in seinem Grundsatzurteil vom 11. Mai 2009 (Az. VII ZR 11/08) entschieden, dass ein solcher Mehrvergütungsanspruch bestehen kann, wenn der Zuschlag ungeachtet der inzwischen verstrichenen in der Ausschreibung genannten Bautermine unverändert auf das Angebot erteilt worden ist.

Nun beschäftigte sich der Senat mit zwei Fällen, in denen der Auftraggeber bereits im Zusammenhang mit dem Zuschlag Erklärungen zur nunmehr geltenden Bauzeit abgegeben hat.

Er entschied, dass ein Zuschlag in einem durch ein Nachprüfungsverfahren verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren über Bauleistungen im Zweifel auch dann zu den ausgeschriebenen Fristen und Terminen erfolgt, wenn diese nicht mehr eingehalten werden können und der Auftraggeber daher im Zuschlagsschreiben eine neue Bauzeit erwähnt.

In der Sache VII ZR 129/09 hatte das Oberlandesgericht (OLG) die Klage der Auftragnehmerin auf Mehrvergütung abgewiesen, soweit diese nicht von der beklagten Auftraggeberin anerkannt worden sei. Die Grundsätze des Urteils des BGH vom 11. Mai 2009 fänden hier keine Anwendung, weil die Beklagte mit ihrem Zuschlag das Angebot der Klägerin nicht unverändert angenommen, sondern verbunden mit einem neuen Angebot (Bau zu anderen Zeiten) abgelehnt habe. Dieses neue Angebot habe die Klägerin zu den ursprünglichen Angebotspreisen angenommen. Raum für eine darüber hinaus gehende Vergütung bestehe daher nicht.

In der Sache VII ZR 213/08 hatte das OLG der Klage der Auftragnehmerin auf Mehrvergütung im vollen Umfang stattgegeben. Die Beklagte habe mit dem Zuschlag das ursprüngliche Angebot der Klägerin nicht unverändert angenommen, sondern unter dessen Ablehnung ein neues Angebot mit veränderten Ausführungsfristen unterbreitet (§ 150 Abs. 2 BGB). Dieses habe wiederum die Klägerin nicht unverändert akzeptiert, sondern mit der Auftragsbestätigung eine Mehrvergütung für die Verzögerung begehrt, die die Beklagte jedenfalls nicht habe verweigern dürfen.

In beiden Fällen hat der BGH die Berufungsentscheidung aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die jeweilige Auslegung der Erklärungen des Auftraggebers in den den Zuschlag begleitenden Schreiben nicht interessengerecht erfolgt sei.

Der Zuschlag erfolge in Fällen wie diesen im Zweifel auf das ursprüngliche Angebot des Bieters. Die Erwähnung einer neuen Bauzeit sei bei der gebotenen vergaberechtskonformen Auslegung im Zweifel nicht als abänderndes neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB zu verstehen, sondern als Hinweis auf die danach notwendige Einigung der Parteien über eine neue Bauzeit.

Damit schließt der Senat an die oben genannte Grundsatzentscheidung vom 11. Mai 2009 an. Da der BGH diese Auslegung für konform mit den europarechtlichen Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften hält, hat er von einer Vorlage an den Gerichtshof, wie sie die Revision in der Sache VII ZR 213/08 beantragt hatte, abgesehen.

Die jeweiligen Berufungsgerichte haben nun über die Höhe des Anspruchs auf Mehrvergütung nach den Grundsätzen des § 2 Nr. 5 VOB/B erneut zu entscheiden.

Zitiervorschlag

BGH: . In: Legal Tribune Online, 23.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1049 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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