BGH: Anfechtungsbefugnis des Minderheitsaktionärs

22.03.2011

Der BGH hat am Dienstag entschieden, dass Minderheitsaktionäre den Beschluss der Hauptversammlung einer AG, mit dem ihre Aktien auf einen Hauptaktionär übertragen werden sollen, auch dann anfechten können, wenn der Übertragungsbeschluss vor Zustellung ihrer Klage in das Handelsregister eingetragen wird und ihre Aktien damit auf den Hauptaktionär übergehen.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) ist ein Kläger zwar grundsätzlich nur dann befugt, Beschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft gemäß § 245 Nr. 1 AktG anzufechten, wenn er im Zeitpunkt der (erst) mit der Zustellung erfolgten Erhebung der Klage (noch) Aktionär der beklagten Aktiengesellschaft sei. Dies gelte aber nicht für die Klage eines Minderheitsaktionärs gegen den Beschluss der Hauptversammlung, einem Hauptaktionär, dem Aktien der Gesellschaft in Höhe von 95 vom Hundert des Grundkapitals gehören, die Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung zu übertragen (§ 327a AktG).

Die Kläger waren Aktionäre der Beklagten, die bis zur Umwandlung in eine GmbH eine AG war. In der Hauptversammlung der Beklagten wurde die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin beschlossen. Dagegen erhoben die Kläger Anfechtungsklagen. Noch vor Klagezustellung wurde der Übertragungsbeschluss ins Handelsregister eingetragen.

Das Berufungsgericht hatte die erstinstantzlich erfolgreiche Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen, weil die Kläger zum Zeitpunkt der Zustellung ihrer Klagen nicht mehr Aktionäre der Beklagten gewesen seien. Sie hätten infolge der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister ihre Aktionärsstellung vor Zustellung ihrer Klagen verloren. Mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses seien die Aktien der Kläger – ungeachtet der von ihnen bereits eingereichten, aber noch nicht zugestellten Klagen – gem. § 327e Abs. 3 Satz 1 AktG auf die Hauptaktionärin übergegangen.

Dies sah der BGH anders (Urt. v. 22.03.2011, Az. II ZR 229/09). Vielmehr sei § 245 Nr. 1 AktG verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Anfechtungsbefugnis des Minderheitsaktionärs nicht entfällt, wenn er infolge der Eintragung des Übertragungsbeschlusses seine Aktionärsstellung vor Zustellung seiner Anfechtungsklage verliere. Diese Auslegung sei geboten, um den Aktionär nicht rechtlos gegen die zwangsweise Übertragung seiner Aktien zu stellen und um der vom Gesetzgeber vorgesehenen, verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit gegen den von der Hauptversammlung gefassten Übertragungsbeschluss Geltung zu verschaffen.

tko/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH: . In: Legal Tribune Online, 22.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2842 (abgerufen am: 25.11.2024 )

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