Das Mordurteil gegen die beiden Männer, deren Autorennen durch die Berliner City einen Mann das Leben kostete, ist vom BGH aufgehoben worden. Eine andere Kammer des LG muss nun neu entscheiden.
Die beiden jungen Männer, die bei einem Autorennen durch die Berliner Innenstadt einen tödlichen Unfall verursacht haben, sind keine Mörder. Der Bundesgerichtshof hat am Donnerstag (Urt. v. 01.03.2018, Az. 4 StR 399/17) ein Urteil des Landgerichts (LG) Berlin aufgehoben, welches die Angeklagten wegen Mordes zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt hatte. Einer von ihnen hatte beim Einfahren in eine Kreuzung den Jeep eines Rentners gerammt, der den Unfall nicht überlebte.
Sie hätten nicht mit dem - zumindest nötigen - bedingten Tötungsvorsatz gehandelt, begründete der BGH seine Entscheidung. Schon in der mündlichen Verhandlung hatte sich abgezeichnet, dass der Senat von einem bloß nachträglichen Vorsatz ausging. Ausgehend von den Tatsachenfeststellungen des LG habe ein Tötungsvorsatz erst dann sicher vorgelegen, als die beiden Männer auf die letzte Kreuzung fuhren; gleichzeitig hätten die Richter aber darauf abgestellt, dass die Männer in diesem Moment einen Unfall gar nicht mehr hätten verhindern können. Ein nachträglicher Vorsatz (sog. dolus subsequens) aber mache die eigentliche Tathandlung, wenn diese noch ohne Vorsatz erfolgte, nicht zu einer strafbaren Handlung, so der 4. Strafsenat.
Warum das LG wegen Mordes verurteilte
In der Nacht zum 1. Februar 2016 hatten die beiden Beschuldigten, die der Berliner Autoraserszene angehören, sich ein spontanes Rennen geliefert. Mitten durch die Berliner Innenstadt, mit einem hoch motorisierten, schweren und sportlich bereiften Mercedes und einem Audi S6 sollen sie mit bis zu 170 Stundenkilometern mehrere rote Ampeln überfahren haben. Auf einer Kreuzung kurz vor dem Kaufhaus KaDeWe rammte einer der Angeklagten mit ca. 160 Stundenkilometern einen Jeep, der 72 Meter weit geschleudert wurde. Der 69 Jahre alte Fahrer des Jeeps starb noch in seinem Auto.
Für die 35. Große Strafkammer des LG Berlin war das ein mittäterschaftlich begangener Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs (Urt. v. 27.02.2017, Az. 535 Ks 8/16). Das LG Berlin hatte sich viel Mühe gegeben mit der Begründung, warum es von einem Tötungsvorsatz ausging. Der führte - in Verbindung mit dem unschwer als gemeingefährliches Mittel einzuordnenden Auto - zur Annahme eines Mordes und damit zwingend zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Berliner Richter hatten vom Wissen der Täter um die enormen Gefahren, die sie mit ihrem objektiv hochgefährlichen Verhalten schufen, auf ihr Wollen geschlossen und waren von bedingtem Vorsatz ausgegangen: Als sie die enormen Geschwindigkeiten erreicht hatten, hätten sie nichts mehr verhindern können und es sei ihnen "einfach egal" gewesen, so das Instanzgericht in der Hauptstadt.
Diese Bewertung teilte der BGH am Donnerstag nicht. Ein nachträglicher Vorsatz ist strafrechtlich irrelevant, an die tatsächlichen Feststellungen des Instanzgerichts ist der BGH als bloße Revisionsinstanz gebunden, hatte die Vorsitzende Richterin Beate Sost-Scheible den zahlreichen Zuschauern und Pressevertretern bereits Anfang Februar bei der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe erklärt.
Noch zweite weitere Raser-Urteile am Donnerstag
Gegen 15.20 Uhr wird der Senat eine weitere Entscheidung zur Revision im Fall eines Bremer Motorradfahrers verkünden, der in der Bikerszene als "Alpi" bekannt ist. Er hat einen Fußgänger getötet. Gegen 15.30 Uhr wird dann ein weiteres Urteil zu einem Fall aus Frankfurt gesprochen, bei dem ein Raser, der über Rot fuhr, einen Autofahrer im Gegenverkehr tötete.
In beiden Fällen will die Staatsanwaltschaft statt der Verurteilungen wegen fahrlässiger Tötung eine wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts erreichen. Die Männer waren jeweils mit weit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs, anders als im Fall der beiden Berliner ging es jedoch nicht um ein Rennen.
Planung, Durchführung und Teilnahme an verbotenen Straßenrennen stehen mittlerweile unter Strafe. Für die beiden Männer aus Berlin galt die Vorschrift des § 315d Strafgesetzbuch (StGB) aber noch nicht, die der Bundestag im Sommer 2017 verabschiedet hat. Wer bei einem illegalen Rennen andere Menschen gefährdet, wird nun mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft; wer einen anderen Menschen tötet oder schwer verletzt oder viele Menschen verletzt, muss mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe rechnen.
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Mit Materialien von dpa
Pia Lorenz, BGH zu Ku'Damm-Rasern: . In: Legal Tribune Online, 01.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27275 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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