Bislang ungeklärt war, ob der von § 251 StGB geforderte gefahrspezifische Zusammenhang vorliegt, wenn der Tod auf einen vom Raubopfer gewollten Behandlungsabbruch zurückzuführen ist. Das hat der BGH nun klargestellt.
Verzichtet ein schwerstverletztes Raubopfer auf lebensverlängernde Maßnahmen, unterbricht das nicht den qualifikationsspezifischen Risikozusammenhang des § 251 Strafgesetzbuch (StGB). Das haben die obersten Strafrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) nach einem tödlichen Handtaschenraub in Krefeld entschieden. Der Beschluss aus dem März wurde erst am Mittwoch veröffentlicht (Beschl. v. 17.3.2020, Az. 3 StR 574/19).
Das Opfer, eine 84-Jährige, hatte 600 Euro von der Bank geholt. Den Gurt ihrer Tasche hatte sie um ihren Rollator geschlungen. Als ihr der Täter, der von hinten auf dem Fahrrad kam, die Tasche entriss, verlor sie das Gleichgewicht und schlug mit dem Kopf aufs Pflaster auf. Nach einer Operation wachte sie nicht mehr auf und ihr Zustand verschlechterte sich. Weil die Frau dies in einer Patientenverfügung und vor der OP im Gespräch mit den Ärzten so gewünscht hatte, ließen diese sie 13 Tage nach dem Sturz palliativmedizinisch betreut sterben. Das Landgericht LG) Krefeld hatte den Täter im Juli 2019 zu elf Jahren Haft verurteilt, wegen Raubes mit Todesfolge (§ 251 StGB).
Die dagegen eingelegte Revision des Angeklagten hat der BGH nun als unbegründet verworfen. Ein Tatbestandsmerkmal des Raubes mit Todesfolge stelle der gefahrspezifische Zusammenhang dar. Dieser liegt laut Beschluss des BGH vor, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang gegeben ist, sondern sich im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit dem Grundtatbestand einhergehen. Der Zusammenhang kann fehlen, wenn noch jemand anderes eingreift oder das Opfer selbst etwas tut. Ungeklärt war bislang, welche Rolle dabei eine Patientenverfügung spielt.
Opfer wirke dem Risiko nur nicht entgegen
Laut BGH ist der Tod der Frau dem Räuber "als Folge des von ihm in Gang gesetzten Geschehens zuzurechnen". Das Risiko für den tödlichen Ausgang habe der Angeklagte mit der bei der Wegnahme aufgewendeten Gewalt gesetzt. Der Gefahrzusammenhang werde auch nicht dadurch unterbrochen, dass der Tod nur in Zusammenwirken mit Vorerkrankungen des Opfers und der durchgeführten OP eingetreten ist. Schließlich wurden die medizinischen Behandlungen nur durchgeführt, um dem durch die Tat entstandenen Risiko entgegen zu treten. "Dass die Behandlungen fehlschlugen, beruhte nicht auf einem eigenständigen, von den behandelnden Ärzten verantworteten Risiko", sagt das Gericht.
Eine neue selbstständige Todesursache liege auch nicht darin, dass die lebensverlängernden Maßnahmen im Einklang mit dem Willen des Opfers und der Patientenverfügung abgebrochen wurden. Nimmt das Opfer einer Gewalttat keine ärztliche Hilfe in Anspruch, setze es damit keine neue Ursache für das Versterben. Es wirke dem vom Täter gesetzten tödlichen Risiko nur nicht entgegen. Daher begründe die Entscheidung gegen die Behandlung keine "'neue'"Todesgefahr. Außerdem führt der BGH an, dass eine Patientenverfügung auch aus rechtlichen Gründen nicht zu einer Zurechnungsunterbrechung führen kann. Schließlich sei der in der Patientenverfügung niedergelegte Willen Ausdruck des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts. Ein Patient habe auch an seinem Lebensende das Recht, selbstbestimmt zu entscheiden, ob er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen will.
Damit ist das Urteil gegen den Mann rechtskräftig.
pdi/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
BGH zu Opfer mit Patientenverfügung: . In: Legal Tribune Online, 04.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43320 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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