Tausende Jesiden wurden vom IS getötet. Während der Bundestag den Völkermord erst bald anerkennen möchte, ist die strafrechtliche Aufarbeitung schon weiter: Erstmals verurteilte der BGH einen IS-Kämpfer wegen Völkermordes an den Jesiden.
Der Angeklagte hat in der Absicht, die religiöse Gruppe der Jesiden zu zerstören, vorsätzlich einem Mädchen schwere, zum Tode führende körperliche Schäden und dessen Mutter schwere seelische Schäden zugefügt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt und insoweit die Revision eines ehemaligen Kämpfers des "Islamischen Staats" (IS) gegen die Verurteilung wegen Völkermords verworfen (Beschl. v. 30.11.2022 – 3 StR 230/22). Der 30-jährige Angeklagte war vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main wegen Völkermordes in Tateinheit mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit, mit Kriegsverbrechen gegen Personen und mit Körperverletzung mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden (Beschl. v. 30.11.2021 – 5 – 3 StE 1/20 – 4 – 1/20). Lediglich den Vorwurf der tateinheitlichen Beihilfe zu dem Kriegsverbrechen gegen Personen durch Vertreibung und Körperverletzung mit Todesfolge hat der BGH nicht aufrechterhalten. Die lebenslange Freiheitsstrafe ist von der Schuldspruchänderung unberührt geblieben.
Der Angeklagte betätigte sich mindestens seit dem März 2015 im syrischen Rakka für den IS. Im Juni 2015 kaufte er eine jesidische Frau sowie deren kleine Tochter und hielt sie als Sklavinnen. Um die Fünfjährige zu bestrafen, fesselte er sie bei glühender Hitze an ein Fenstergitter im Hof des Anwesens im irakischen Falludscha. Dort starb das Kind an einem Hitzeschlag.
"Internationales Novum"
Es ist das erste Mal, dass der BGH einen IS-Kämpfer wegen Völkermordes an den Jesiden schuldig spricht. Bereits der vorinstanzliche Beschluss war von Generalbundesanwalt Peter Frank beim Jahresempfang 2022 als "ein internationales Novum" beschrieben worden. In einem weiteren Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg war eine deutsche IS-Rückkehrerin wegen Beihilfe zum Völkermord schuldig gesprochen worden (Urt. v. 27.07.2022, Az. 3 St 2/22).
Der Völkermord ist gemäß § 6 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) strafbar. Eine Strafbarkeit setzt dabei insbesondere eine eigene Völkermordabsicht voraus, die als schwierig nachzuweisen gilt. Voraussetzung ist laut BGH, "dass es dem Täter selbst im Sinne eines zielgerichteten Wollens auf die vollständige oder teilweise Zerstörung der Gruppe zumindest in ihrer sozialen Existenz ankommt". Diese rechtlichen Maßstäbe habe das OLG Frankfurt am Main zutreffend angewandt. Der Angeklagte habe die Jesiden vernichten wollen und dieser Wille habe sich als "motivational prägend" dargestellt, so die Richter des III. Strafsenats.
Nicht nur die Strafgerichte, sondern auch der Deutsche Bundestag könnte die Verbrechen an den Jesiden als Völkermord einstufen. Bereits am kommenden Donnerstag soll im Bundestag abgestimmt werden. Das geht aus einem Antrag der Bundestagsfraktionen CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP hervor, wie die F.A.Z. am 13. Januar 2023 berichtete. Darin solle es heißen: "Der Deutsche Bundestag verneigt sich vor den Opfern der Verbrechen des sogenannten Islamischen Staates (IS) im Irak und in Syrien."
lm/LTO-Redaktion
Mit Material der dpa
BGH verwirft Revision weitgehend: . In: Legal Tribune Online, 17.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50788 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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