Ein Mann stieß einen Kontrahenten vor eine S-Bahn, dieser überlebte schwer verletzt. Der Täter muss laut LG Frankfurt in die Psychiatrie, doch der BGH hob die Entscheidung nun auf: Welche Rolle spielte der Alkoholkonsum in diesem Fall?
Mit am Dienstag veröffentlichtem Beschluss hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Voraussetzungen für die dauerhafte Unterbringung einer Person in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 Strafgesetzbuch (StGB) konkretisiert (Beschl. v. 05.06.2024, Az. 2 StR 508/23).
Konkret geht es um einen Fall, der sich im Jahr 2022 frühmorgens im S-Bahnhof Frankfurt-Rödelheim ereignete. Ein Mann hatte einen Kontrahenten nach einem Streit vor eine einfahrende S-Bahn ins Gleisbett gestoßen. Das Opfer hatte den Angriff schwer verletzt überlebt, der Zug konnte noch rechtzeitig bremsen. Die beiden angetrunkenen Männer waren aus nicht näher bekannten Gründen in Streit geraten.
Das Landgericht (LG) Frankfurt hatte eine gefährliche Körperverletzung angenommen, ging aber von einer zumindest verminderten Schuldfähigkeit des schubsenden Mannes aus. Er habe sich aufgrund seiner Erkrankung in einem "Zustand der psychotischen Gereiztheit" befunden, die durch die Alkoholintoxikation verstärkt gewesen sei. Das LG ordnete die dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
Dieses Urteil hat der BGH jetzt aufgehoben, denn die Voraussetzungen des § 63 StGB seien nicht erfüllt. Die Norm regelt, wann ein (mindestens vermindert) schuldunfähiger Täter in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen ist.
Keine Unterbringung, wenn Schuldunfähigkeit erst durch Alkoholkonsum ausgelöst wurde
Eine solche Unterbringung dürfe nur angeordnet werden, "wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht", so der BGH. Dieser Zustand müsse, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein.
Grundsätzlich verbiete sich eine solche Unterbringung, "wenn der Ausschluss oder die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht schon allein durch einen solchen länger andauernden Defekt, sondern erst durch einen aktuell hinzutretenden Genuss berauschender Mittel, insbesondere von Alkohol, herbeigeführt worden ist".
Das LG habe hier nicht tragfähig ausgeschlossen, "dass die erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung erst durch ein Zusammenwirken des psychischen Defektzustands des Beschuldigten mit der im Tatzeitpunkt hinzutretenden alkoholischen Beeinflussung von maximal 2,39 Promille herbeigeführt worden ist", so der BGH. Eine krankhafte Alkoholsucht des Beschuldigten habe es ausdrücklich ausgeschlossen.
"Die Sache bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung", erklärte der BGH. Somit werde die Sache an das LG Frankfurt zurückverwiesen.
*Korrektur von Dachzeile und Überschrift nach freundlichem Leserhinweis am Tag der Veröffentlichung, 14.57 Uhr.
dpa/tap/fkr/LTO-Redaktion
BGH zur Schuldunfähigkeit bei psychischer Störung: . In: Legal Tribune Online, 28.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55284 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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