Der BFH machte dieses Jahr schon Schlagzeilen, als er der NGO Attac die Gemeinnützigkeit absprach. Für Zweckbetriebe, die der Wirtschaft Konkurrenz machen, taten es die Münchner Richter nun ebenso.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Umsätze eines Bistros einer gemeinnützigen Behindertenwerkstatt nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent unterliegen (Urt. v. 23.07.2019, Az. XI R 2/17). Das Urteil betrifft viele gemeinnützige Einrichtungen, die nun entgegen der "derzeit allgemein geübten Praxis prüfen müssen, ob sie für die Umsätze ihrer Zweckbetriebe weiterhin den ermäßigten Steuersatz anwenden können", wie der BFH am Donnerstag in München mitteilte.
Geklagt hatte ein gemeinnütziger Verein, der Menschen mit Behinderung unterstützt. Neben einer Werkstatt für behinderte Menschen betrieb der Verein ein öffentlich zugängliches Bistro, in dem auch behinderte Menschen arbeiten. Wenn diese Geschäfte dem gemeinnützigen Vereinszweck dienen, nennt man sie im Steuerrecht "Zweckbetrieb". Der Verein begehrte für die Bistro-Umsätze den ermäßigten Steuersatz, das Finanzamt gestattete ihm diesen jedoch nicht zu und besteuerte die Umsätze stattdessen mit dem üblichen Umsatzsteuersatz von 19 Prozent. Die Klage des Vereins blieb in der ersten Instanz wegen fehlender Nachweise erfolglos.
Der 11. Senat des BFH verneinte die Steuersatzermäßigung in seiner Entscheidung nun aber bereits dem Grunde nach. Das Umsatzsteuergesetz stelle darauf ab, dass der Zweckbetrieb entweder nicht in unmittelbarem Wettbewerb zu der Regelbesteuerung unterliegenden Unternehmern steht oder mit dessen Leistungen die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklicht werden. Laut BFH muss es sich also um Leistungen von Einrichtungen handeln, die sowohl gemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind.
BFH: Verein macht anderen Gastronomiebetrieben Konkurrenz
Diese Voraussetzungen sah der BFH im Falle des klagenden Vereins jetzt aber nicht als erfüllt an. Zum einen sei der Verein mit seinen Gastronomieumsätzen in Wettbewerb zu anderen Unternehmern mit vergleichbaren Leistungen getreten. Zum anderen dienten die Gastronomieumsätze in erster Linie den Zwecken der Bistrobesucher und seien daher keine originär gemeinnützigen Leistungen. Dennoch verwiesen die Münchner Richter den Fall zurück nach Berlin-Brandenburg: Das dortige Finanzgericht soll nun prüfen, ob der ermäßigte Steuersatz vielleicht aus anderen Gründen gewährt werden kann.
Der BFH hat damit zum zweiten Mal in diesem Jahr die Grenzen der Gemeinnützigkeit enger gezogen. Im Frühjahr hatten die obersten Finanzrichter dem Politnetzwerk Attac Gemeinnützigkeit und die damit verbundenen Steuerprivilegien entzogen, weil Politik im deutschen Recht nicht als gemeinnützig eingestuft werden könne.
Die am Donnerstag veröffentliche Entscheidung geht über die Sphäre des Politischen weit hinaus: Das Urteil bezieht sich darauf, dass viele gemeinnützige Vereine gleichzeitig Nebengeschäfte betreiben, beispielsweise Läden oder Cafés. Gemeinnützige Vereine sind gegenüber gewinnorientiert arbeitenden Firmen steuerbegünstigt, außerdem erhalten sie in vielen Städten und Gemeinden weitere Vorteile, zum Beispiel Förderzuschüsse und günstige Kredite.
In der Wirtschaft gibt es seit Jahren Kritik, dass Vereine zunehmend in kommerzielle Bereiche vorstoßen und dabei von der öffentlichen Hand auch noch durch Vergünstigungen privilegiert würden. In den Finanzämtern gilt die Vereinsbesteuerung als unerfreuliche Materie, nicht zuletzt, weil eine klare Abgrenzung von steuerbegünstigtem Zweckbetrieb und rein kommerziellem Wirtschaftsbetrieb in der Regel sehr schwierig ist.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
BFH zum ermäßigten Umsatzsteuersatz: . In: Legal Tribune Online, 21.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38831 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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