Die Polizeipräsidentin klingt zunehmend ausgesprochen sauer. Früher war immer von wenigen "Einzelfällen" die Rede, wenn es um Vorfälle mit rechtsextremistischen Tendenzen bei Berliner Polizisten ging. Aber es werden immer mehr Einzelfälle.
Die Berliner Polizei führt inzwischen fast 40 Disziplinarverfahren gegen Polizisten wegen des Verdachts von rechtsextremistischen Vorfällen. In etwa 20 dieser Fälle gehe es darum, die Polizeibeamten zu entlassen, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik der Zeitung Die Welt (Dienstag). "Wir haben Kolleginnen und Kollegen mit rechtsextremistischem Gedankengut in unseren Reihen. Das ist leider so."
Slowik sagte weiter: "Wir sind alle genervt und wütend, dass einige wenige unseren Ruf so beschmutzen." Die Polizei ziehe schon eher wertkonservative Menschen an, die die Regeln gesellschaftlichen Zusammenlebens durchsetzen wollen. Extremisten würden aber nicht akzeptiert. Von den 26.000 Beschäftigten der Polizei Berlin würden "99,9 Prozent fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen".
Die Entlassung von Polizisten nach Bekanntwerden etwa von Chatgruppen mit rechtsextremistischen Inhalten sei aber nicht immer so einfach, sagte Slowik. "Tatsächlich stützt uns die Rechtsprechung aber nicht immer in unserem konsequenten Vorgehen." Die Entlassung sei die härteste Möglichkeit. Mehrfach hätten Gerichte das aber zurückgewiesen und auf niedrigere Strafen wie Zurückstufungen oder Geldstrafen verwiesen. "Wir haben aber auch schon Entlassungen durchbekommen. Und auch bei den aktuellen Fällen gehe ich davon aus, dass wir bei zumindest manchen Fällen Recht behalten."
"Sparta-Helm" und Nazi-Radios
Im September hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) noch von mehr als 30 Disziplinarverfahren wegen problematischer Äußerungen mit Nähe zum Extremismus gesprochen. Darunter seien mehr als zehn Verfahren, die eine Entfernung aus dem Polizeidienst zum Ziel haben.
Anfang Oktober war dann eine Chatgruppe bei der Polizei mit 26 Mitgliedern, die Nachrichten mit menschenverachtendem Inhalt austauschten, bekanntgeworden. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen mutmaßlicher Volksverhetzung gegen sieben Verdächtige. Demnach richteten sich einzelne Mitteilungen, bei denen Hakenkreuze verwendet worden sein sollen, in rassistischer Art gegen Asylbewerber. Mit anderen Nachrichten sei der Völkermord an den Juden verharmlost worden. Die Polizei leitete Disziplinarverfahren ein.
Gegen einen weiteren Polizisten wurde ein Verfahren eingeleitet, weil er bei einem Demonstrations-Einsatz am 3. Oktober einen politisch problematischen Aufnäher mit einem Spartaner-Helm an seiner Uniform trug. Das Bild des "Sparta-Helms" wird von Rechtsextremisten verwendet, um an den Kampf der Spartaner im antiken Griechenland gegen die angreifenden Perser erinnern. Er soll ein Symbol sein für die Verteidigung gegen eine vermeintliche Invasion aus arabischen oder afrikanischen Ländern.
Ende Oktober wurde ein Fall öffentlich, bei dem zwei Polizisten im Dienst ein altes Radio aus der Nazi-Zeit mit Hakenkreuzen gekauft haben sollen. In einer Statistik des Bundesamtes für Verfassungsschutz wurden zwischen 2017 und 2020 insgesamt 53 Rechtsextremismus-Verdachtsfälle in Sicherheitsbehörden in Berlin registriert.
Auch in anderen Bundesländern sieht sich die Polizei Rechtsextremismus-Vorwürfen ausgesetzt. Ein Fall aus NRW zeigt jedoch, dass die Vorwürfe nicht in allen Fällen begründet sind. So hatte etwa das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Suspendierung einer Beamtin ausgesetzt. Der Vorwurf, die Beamtin habe sich an einer rechtsextremen Chatgruppe beteiligt, stellte sich für das Gericht als falsch heraus. Bei den vermeintlich rechtsextremen Inhalten handelte es sich lediglich um Hitler-Parodien.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Rechtsextremismus: . In: Legal Tribune Online, 03.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43300 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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