Dass die bisherige FG-Präsidentin Anke Morsch Vizepräsidentin des BFH werden sollte, hatte für scharfe Kritik aus der Justiz gesorgt. Nun hat das VG München ihre Berufung vorerst gestoppt.
Im Streit um die Spitzenposten am Bundesfinanzhof (BFH) hat das Verwaltungsgericht München (VG) die Berufung der vom Bundesjustizministerium (BMJV) vorgeschlagenen Kandidatin für die Stelle der Vizepräsidentin gestoppt. Das VG gab am Donnerstag drei Eilanträgen unterlegener Bewerber gegen die Kandidatin, die bisherige Präsidentin des Finanzgerichts des Saarlandes Anke Morsch, statt (Beschl. v. 14.10.2021, M 5 E 21.1208 u.a.).
Der Bund darf die Stelle nicht mit der "vorgesehenen Bewerberin" besetzen, bis eine neue Auswahlentscheidung getroffen ist. Das teilte das Gericht am Donnerstag mit, ohne Morsch namentlich zu nennen.
Die Berufung war demnach rechtswidrig, die Entscheidung ist jedoch nicht rechtskräftig. Sowohl der Bund als auch Morsch selbst können innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einlegen. Die drei Konkurrenten, die den Eilantrag gestellt hatten, sind bereits amtierende Senatsvorsitzende am Bundesfinanzhof. Die Vakanzen am BFH sind seit mehr als einem Jahr - seit der Verabschiedung von Rudolf Mellinghoff als Präsident - heftig umstritten.
VG München: Auf das höhere Amt der Mitbewerber kommt es an
Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts hielt die Auswahlentscheidung des BMJV für rechtswidrig. In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es dazu: Das BMJV sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der ausgewählten Bewerberin der Vorrang einzuräumen sei, obwohl ihr aktuelles Amt als Präsidentin eines Finanzgerichts in einen niedrigeren beamtenrechtlichen Status eingestuft ist als die Ämter der Konkurrenten. Denn insofern sei schon keine Gleichwertigkeit der aktuellen Ämter gegeben.
Auch wenn die ausgewählte Bewerberin und die Konkurrenten in ihren aktuellen Beurteilungen jeweils die Spitzennote erhalten hätten, gelte dennoch der Grundsatz des Leistungsvorrangs des höheren Statusamtes. Danach sei die Eingruppierung in ein höheres Statusamt regelmäßig Ausdruck gesteigerter Anforderungen und einer größeren Verantwortung im höherrangigen Amt.
Das BMJV habe nicht ausreichend begründet, weshalb insofern eine Ausnahme vorgelegen habe und weshalb die ausgewählte Bewerberin trotz ihrer niedrigeren Eingruppierung über einen Leistungsvorsprung gegenüber den Konkurrenten verfüge, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Das vom BMJV dabei u.a. angeführte Argument, die ausgewählte Bewerberin habe bis 2017 das Amt einer Staatssekretärin innegehabt, greife nicht durch, denn es sei allein das aktuelle Statusamt maßgeblich. Schon aus diesen Gründen müsse die Auswahlentscheidung neu durchgeführt werden.
Scharfe Kritik aus der Justiz
Der Bundesfinanzhof ist seit vergangenem Jahr führungslos, weil die scheidende Große Koalition die Nachfolge von Präsident und Vizepräsidentin nicht rechtzeitig geregelt hatte. Die Präsidenten der Bundesgerichte, der Deutsche Richterbund und der Richterverein am Bundesfinanzhof hatten das Prozedere teils scharf kritisiert. Auch der BFH selbst fand in seinem Jahresbericht deutliche Worte für das Berliner Vorgehen.
Für Kritik hatte auch die Entscheidung von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht gesorgt, das Anforderungsprofil für die Besetzung von Spitzenposten an den Bundesgerichten unabgesprochen zu ändern. Dabei fiel das Kriterium weg, wonach Kandidaten für Spitzenposten eine fünfjährige Bewährung und Erfahrung als Richter an einem der obersten Bundesgerichte haben mussten.
Es geht in dem Streit grundsätzlich um die Frage, ob das Ministerium politisch genehme Kandidatinnen und Kandidaten auf Führungsposten hievt, die fachlich die Anforderungen nicht erfüllen. Denn weder Morsch noch der als künftiger BFH-Präsident berufene Beamte Hans-Josef Thesling - bisher Leiter der Zentralabteilung im CDU-geführtene Justizministerium des Landes NRW und zuvor Chef des Finanzgerichts in Düsseldorf - erfüllen dieses Kriterium.
Durfte das BMJV das Anforderungsprofil ändern?
Das VG erklärte, auf die Frage, ob das aktuell geltende Anforderungsprofil nun rechtswidrig sei, komme es im konkreten Fall nicht an. Laut Pressemitteilung äußerte die Kammer aber in ihren Beschlüssen, dass es grundsätzlich im Organisationsermessen des Dienstherrn liege, das Anforderungsprofil im Interesse einer effektiven Verwaltung festzusetzen.
Durch das aktualisierte Anforderungsprofil sei der Bewerberkreis erweitert worden, wodurch die Antragsteller, die auch das erweiterte Anforderungsprofil erfüllen, nicht in ihren Rechten verletzt würden. Die Abänderung des Anforderungsprofils, die abstrakt und unabhängig von dem vorliegenden Stellenbesetzungsverfahren erfolgt sei, erscheine nach den Darlegungen des BMJV auch durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt und daher nicht willkürlich.
Der Personalie Thesling ist ebenfalls umstritten, aber in Justizkreisen nicht ganz so heftig wie die von Morsch. Als Präsident hätte er zwar den höheren Rang, aber auch vor allem Verwaltungsaufgaben, die das Amt mit sich bringt, da gilt die richterliche Erfahrung als eher verzichtbar. Allerdings würden beide auch als Vorsitzende Richter Recht sprechen. Der Weg für Thesling könnte nun aber frei sein, der Bayerische VGH lehnte zuletzt eine Konkurrentenklage als unzulässig ab.
Mit Material der dpa
aka/kus/LTO-Redaktion
Streit um Spitzenposten in der Justiz: . In: Legal Tribune Online, 14.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46361 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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