Damit Urlaubstage nicht verfallen, müssen Arbeitnehmer in Deutschland ihren Urlaub beantragen, bevor das Jahr um ist. Das Europarecht könnte dieser Regelung aber entgegenstehen, glaubt das BAG. Der EuGH soll die Sache nun klären.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob die deutschen Regelungen des § 7 Bundesurlaubgesetzes (BUrlG) im Widerspruch zur Arbeitszeitrichtlinie (Rli. 2003/88/EG) stehen (Beschl. v. 13.12.2016, Az. 9 AZR 541/15 (A)).
Anlass dazu gab die Klage eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung. Der Mann hatte bei der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 2013 noch 51 nicht genommene Urlaubstage offen. Sein Arbeitgeber hatte ihn zwar bereits im Oktober darum gebeten, den Urlaub zu nehmen – aus nicht näher geklärten Gründen hatte der Arbeitnehmer aber nur an zwei einzelnen Tagen frei genommen. Die Vorinstanzen gaben seiner Klage auf Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage statt. Der Mann habe einen Anspruch auf Abgeltung von 51 Urlaubstagen gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG wäre der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers mit Ablauf des Urlaubsjahres 2013 eigentlich verfallen. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG verfällt der im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaub des Arbeitnehmers grundsätzlich am Ende des Urlaubsjahres, wenn - wie hier - keine Übertragungsgründe nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG vorliegen. Der Arbeitgeber ist nach Auffassung des BAG auch nicht verpflichtet, den Urlaub ohne Antrag oder Wunsch des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr zu gewähren und ihn dem Arbeitnehmer somit "aufzuzwingen".
Dient Urlaub dem Arbeitsschutz?
Das Landesarbeitsgericht (LAG) München sah das anders. Schon der Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG, wonach der Urlaub innerhalb des dort vorgegebenen Zeitraums "zu gewähren und zu nehmen" ist, deute darauf hin, dass ein Arbeitgeber von sich aus und nicht erst nach entsprechender Aufforderung durch den Arbeitnehmer gehalten ist, den Urlaubsanspruch rechtzeitig im Sinne des § 7 Abs. 3 BUrlG zu erfüllen. Wenn der Arbeitgeber tatsächlich nur verpflichtet sein sollte, Urlaub auf entsprechende Aufforderung des Arbeitnehmers zu gewähren, hätte die Formulierung nahe gelegen, dass der Urlaub "zu nehmen und zu gewähren" ist, oder ausdrücklich zu regeln, dass der Arbeitnehmer den Urlaub so rechtzeitig zu beantragen hat, dass er noch während des genannten Zeitraums gewährt werden kann, heiß es in der Münchener Entscheidung (Urt. v. 06.04.2015, Az. 8 Sa 982/14).
Für diese Auslegung spreche auch der Zweck des Urlaubsanspruchs. Sowohl nach deutschem Recht als auch nach Unionsrecht diene der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten und gehöre damit nach seiner Zielrichtung zum Arbeitsschutzrecht. Für das Arbeitsschutzrecht gelte, dass der Arbeitgeber seinen Pflichten zum Gesundheitsschutz auch ohne vorherige Aufforderung nachzukommen hat.
Der EuGH soll nun klären, ob die Regelungen des § 7 BUrlG mit der Richtlinie im Einklang stehen. Sollten die Luxemburger Richter das verneinen, könnte das bedeuten, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen, sofern die Arbeitnehmer von sich aus keinen Urlaub beantragen.
acr/LTO-Redaktion
BAG legt EuGH vor: . In: Legal Tribune Online, 13.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21446 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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