Stirbt ein Arbeitnehmer, haben seine Erben Anspruch auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs. Dies entschied das BAG am Dienstag und schloss sich damit der Rechtsprechung des EuGH an.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat seine Rechtsprechung geändert. Die Erfurter Richter entschieden, dass wenn ein Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, die Erben einen Anspruch auf Abgeltung des vom Erblassers nicht genommenen Urlaubs haben (Urt. v. 22.01.2019, Az. 9 AZR 45/19). Der Abgeltungsanspruch erfasse dabei auch Zusatzurlaub, wie er etwa schwerbehinderten Menschen zusteht.
Geklagt hatte eine Alleinerbin, deren Mann 2010 verstorben war. Dessen Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Arbeitnehmer endete nach dem Tod. Zum Zeitpunkt des Todes standen dem Mann noch 25 Urlaubstage zu, zwei Tage davon Zusatzurlaub wegen seiner Schwerbehinderung. Die Witwe verlangte die Abgeltung des gesamten Resturlaubs.
Das BAG sprach ihr diese nun zu. Die nach dem Unionsrecht gebotene Auslegung der Vorschriften des Bundesurlaubgesetzes (BUrlG) ergebe, dass der Resturlaub auch dann abzugelten ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, so das BAG. Das Gericht weicht damit von seiner bisherigen Rechtsprechung ab, die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) im November vergangenen Jahres für unionsrechtswidrig erklärt wurde. Zuvor erkannte das BAG eine Abgeltung von Urlaubsansprüchen nur an, wenn bei dem Verstorbenen bereits ein Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden war (Urt. v. 12.03.2013, Az. 9 AZR 532/11).
Auch Zusatzurlaub wird vererbt
Statt die deutschen Erbrechtsvorschriften als unionsrechtswidrig nicht mehr anzuwenden, entschied sich das BAG für die unionrechtskonforme Auslegung der Regelungen. Aus der richtlinienkonformen Auslegung der §§ 1 und 7 Abs. 4 BUrlG folge, dass vor dem Tod nicht mehr genommener und auch nicht abgegoltener Jahresurlaub als Bestandteil des Vermögens Teil der Erbmasse wird, so das Gericht.
Der Abgeltungsanspruch der Erben umfasse dabei aber nicht nur den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub von 24 Werktagen, sondern auch den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen sowie den Anspruch auf Urlaub nach Tarifvertrag, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt. Aus dem für diesen Fall anwendbaren Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ergebe sich auch nicht, dass die Erben das Verfallrisiko für den tariflichen Mehrurlaub tragen, sollte der Erblasser vor Beedingung des Arbeitsverhältnisses sterben, so die Erfurter Richter.
"Eigentlich ist Urlaub ein höchstpersönlicher Anspruch des Arbeitnehmers, weil er seiner eigenen Erholung dient. Kann der Arbeitnehmer diesen Urlaub aber nicht mehr nehmen, darf dieser Anspruch nach der Entscheidung des BAG nun nicht mehr entfallen", kommentiert Arbeitsrechtler Dr. Martin Lüderitz die Entscheidung. Der Anspruch auf bezahlten Urlaub komme "einem Vermögenswert gleich, der nicht nach dem Tod des Arbeitnehmers rückwirkend entzogen werden darf."
acr/LTO-Redaktion
BAG ändert Rechtsprechung nach EuGH-Urteil: . In: Legal Tribune Online, 22.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33387 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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