Nach Auffassung des BAG verfallen nicht genommene Urlaubstage bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres. Was aber, wenn der Arbeitnehmer nicht darauf hingewiesen wird? Das soll nun der EuGH klären.
Im Streit um den Verfall von Urlaubstagen hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zwei Fälle zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die Luxemburger Kollegen sollen die Frage klären, ob und wann der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub eines Arbeitnehmers verfallen kann, wenn im Laufe des Urlaubsjahres eine volle Erwerbsminderung bzw. die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist. Dies teilte das Erfurter Gericht am Dienstag mit (Urt. v. 07.07.2020, Az. 9 AZR 245/19 und 9 AZR 401/19).
Die Klägerin in einem der Verfahren ist seit einer Erkrankung im Jahr 2017 durchgehend arbeitsunfähig. 14 Urlaubstage hatte sie in diesem Jahr nicht in Anspruch genommen. In dem anderen Verfahren ist der Kläger als schwerbehindert anerkannt und bezieht seit Dezember 2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Vor Gericht machte er geltend, dass ihm noch 34 Urlaubstage aus dem Jahr 2014 zustehen würden. In beiden Fällen hatte der Arbeitgeber nicht darauf hingewiesen, dass der nicht genommene Urlaub verfallen könnte.
Gilt die 15-Monats-Frist?
Nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) muss Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Der EuGH hatte im November 2018 entschieden, dass Urlaub, der bis zum Jahresende nicht gewährt und genommen wird, nicht automatisch verfällt. Der Anspruch erlischt laut EuGH nur, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Dies sei aber nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer erforderlichenfalls sogar dazu auffordert, den Urlaub zu nehmen und ihm mitteilt, dass der nicht genommene Urlaub am Ende des zulässigen Übertragungszeitraums oder am Ende des Arbeitsverhältnisses verfallen wird.
Für den Fall, dass der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war, versteht der Neunte Senat § 7 Abs. 3 BUrlG nach Maßgabe einer EuGH-Entscheidung aus dem Jahr 2011 (v. 22.01.2012. Az. C-214/10) dahingehend, dass gesetzliche Urlaubsansprüche bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres erlöschen. Der EuGH soll nun klären, ob der Urlaubsanspruch nach 15 Monaten auch dann verfällt, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit nicht erfüllt hat. Das BAG wies außerdem darauf hin, dass die beiden Kläger ihren Urlaub vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise hätten nehmen können.
acr/LTO-Redaktion
BAG zieht EuGH zu Rate: . In: Legal Tribune Online, 07.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42126 (abgerufen am: 18.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag