Weil ein Rechtsanwalt ohne Robe in einem Zivilprozess erschien, ließ ein Augsburger Amtsrichter den Prozesstermin platzen. Jetzt landet der Robenstreit vor dem LG. Der Anwalt wirft dem Richter Arbeitsverweigerung vor und verlangt Schadenersatz.
Sie gilt als Berufskleidung für Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Richter: die schwarze Robe. Eine größere Rolle kommt ihr bei Prozessen in der Regel nicht zu. Am kommenden Dienstag aber steht der schwarze Umhang im Mittelpunkt eines Rechtsstreits vor dem Landgericht (LG) Augsburg. Kläger ist der Münchner Anwalt Norman Synek. Er war vergangenes Jahr in einem Zivilprozess vor dem Amtsgericht (AG) Augsburg ohne Robe erschienen. Der Richter weigerte sich daraufhin, die Verhandlung durchzuführen, schickte die Beteiligten nach Hause und setzte einen neuen Termin an. Jetzt verlangt der Anwalt Schadenersatz vom Freistaat Bayern.
In der Klage geht es um 770,50 Euro nebst Zinsen. Synek macht Fahrtkosten und einen Verdienstausfall von drei Stunden geltend, da er am 10. November 2014 "unverrichteter Dinge wieder die Heimreise antreten musste", wie er in seiner Klage schreibt. Nach nur zwei Minuten hatte der Richter die Sitzung beendet. "Wie Schuljungen" seien sein Mandant und er nach Hause geschickt worden, ärgert sich der Anwalt, der unter anderem schon den Schauspieler Fritz Wepper vor Gericht vertreten hat.
Synek sieht in dem Verhalten des Richters eine amtliche Pflichtverletzung und stuft es als Arbeitsverweigerung ein. Nach seiner Auffassung sind Rechtsanwälte nicht verpflichtet, beim AG in Zivilsachen in Robe aufzutreten. "Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage", sagt er. Vergessen hatte er seine Robe im vergangenen November nicht. "Ich habe vor dem Amtsgericht und bei Zivilprozessen nie eine Robe dabei. Aber noch nie hat mich ein Richter deshalb gerügt, geschweige denn einen Prozess abgebrochen." Auch am AG Augsburg sei dies zuvor noch nicht moniert worden.
Robe am AG gewohnheitsrechtlich begründet?
Synek ist eigenen Angaben zufolge kein grundsätzlicher Gegner der Amtstracht. "Ich bin kein Roben-Rebell. Ich trage sie dann, wenn ich muss - zum Beispiel vor dem Landgericht. Wenn ich aber nicht muss, bin ich froh, wenn ich ein Gepäckstück weniger mit mir herumtragen muss." Er trete jedoch stets angemessen gekleidet vor Gericht auf - mit Anzug, Hemd und Krawatte. Das sei auch am 10. November vergangenen Jahres so gewesen.
Nach Angaben des LG Augsburg hat der beklagte Freistaat Bayern beantragt, Syneks Klage abzuweisen. Der Freistaat stelle sich auf den Standpunkt, dass nach wie vor das Tragen einer Robe auch vor den Amtsgerichten gewohnheitsrechtlich begründet sei. Es gäbe zwar einige wenige Amtsgerichte, bei denen keine Roben getragen würden, das Amtsgericht Augsburg gehöre jedoch nicht dazu. Wie das Landgericht mitteilte, hat der Präsident des Amtsgerichts außergerichtlich eine Schadenersatzzahlung unter Verweis auf das Gewohnheitsrecht abgelehnt.
Es sei am Amtsgericht Augsburg "durchaus üblich", dass Rechtsanwälte in ihrer Amtstracht erscheinen, sagt dessen Präsident Bernt Münzenberg laut Mitteilung. Für die Robenpflicht gebe es gute Gründe: Durch die Amtstracht würden Richter und Rechtsanwälte als unabhängige Organe der Rechtspflege kenntlich gemacht, was auch die Rechts- und Wahrheitsfindung fördere. Dadurch würden sie sich aus dem Kreis der übrigen Verhandlungsteilnehmer herausheben. Es bestünde zudem ein Interesse der Allgemeinheit daran, "dass Gerichtsverhandlungen in guter Ordnung und in angemessener Form durchgeführt werden können".
Am Dienstag soll nun das LG Augsburg über den Robenstreit entscheiden. Nach Angaben eines Gerichtssprechers werde zunächst versucht, mit den Parteien eine gütliche Einigung zu erzielen. Kommt diese nicht zustande, schließt sich die mündliche Verhandlung an. Schon in der Vergangenheit hatte die Kleiderordnung vor Gericht verschiedentlich zu Kontroversen geführt.
dpa/acr/LTO-Redkation
Kleiderordnung vor Gericht: . In: Legal Tribune Online, 08.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15774 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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