Weil ihr Schal beim Blick nach unten Mund und Nase verdeckte, wurde eine Frau in Wien angehalten. Nach dem Gespräch mit den Polizisten soll sie 50 Euro zahlen. Nun geht sie gegen das vor kurzem in Kraft getretene Anti-Verhüllungsgesetz vor.
Anfang Oktober ist in Österreich das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz (AGesVG) in Kraft getreten. Das neue Verhüllungsverbot sieht vor, dass an öffentlichen Orten die Gesichtszüge nicht durch Kleidung oder andere Gegenstände ao verhüllt bzw. verborgen werden dürfen, dass sie nicht mehr erkennbar sind. Zu welchen Konflikten das führen kann, zeigt der Fall einer jungen Frau, über den der Österreichische Rundfunk (ORF) berichtet.
Nora Först befand sich gerade auf dem Heimweg, als sie von zwei Polizisten angehalten wurde. Die Beamten störten sich an dem hohen Schal, den die 28-jährige trug. "Ich habe auf mein Handy geschaut, und wenn ich nach unten schaue, sind mein Mund und meine Nase natürlich im Schal", zitiert der ORF aus einem Wien heute-Interview mit der Psychologin, die an der Universität Wien forscht. "Wenn ich allerdings hochschaue, sieht man mein Gesicht."
Die Intention der Polizisten in diesem Fall sei ganz klar, ein "klärendes Gespräch über das neue Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz" zu führen, zitiert der ORF einen Polizeisprecher. Aufgabe der Beamten sei es, in der weiteren Folge den gesetzmäßigen Zustand wieder herzustellen.
50 Euro Strafzahlung: für den Schal oder für eine Provokation?
Im Vorfeld des Inkrafttretens hatte das österreichische Bundesministerium für Inneres (BM.I) einen kurzen Leitfaden dazu veröffentlicht, der bebildert, was erlaubt ist und was ein Verhüllen oder Verbergen i.S.v. § 2 Abs. 1 AGesVG ist. Dort findet sich als "unter Umständen erlaubt" auch das Ausnahmekriterium "bei Kälte": Dann darf man seinen Schal offenbar über die Nase hochziehen.
Hier geht es zum anschaulichen Beispiel-Bilder-Leitfaden des österreichischen BM.I.
Das BM.I. hatte angekündigt, das neue Gesetz mit Fingerspitzengefühl umzusetzen und erst einmal informieren und ermahnen zu wollen. Wer dann allerdings die Gesichtsverhüllung nicht ablege, müsse unter Umständen mit Konsequenzen rechnen.
So geschehen im Fall Först, gegen die nach dem Vorfall eine Strafzahlung von 50 Euro verhängt wurde. Gemäß § 2 Abs. 1 AGesVG ist die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu 150 Euro zu bestrafen. In der Anzeigeschrift gegen die Psychologin heißt es, dass die Angehaltene nicht kooperativ gewesen sei und gesagt habe, dass das Gesetz lächerlich sei, berichtet der ORF. Deshalb habe es auch nicht nur eine Abmahnung gegeben, sondern eine Organstrafverfügung und eine Identitätsfeststellung.
Das sieht die Psychologin anders und lehnt die Strafzahlung in Höhe von 50 Euro ab. "De facto gab es von meiner Seite überhaupt keine Provokation", sagt sie in dem Interview. "Die Provokation, die da vielleicht entstanden ist, war die Frage, warum ich meinen Ausweis zeigen sollte."
Hält das Anti-Verhüllungsgesetz vor dem EGMR?
Nun sollen die Gerichte in Österreich darüber entscheiden, ob die Strafzahlung zu Recht verhängt wurde. Försts Anwalt Georg Zanger will die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes wenn nötig vor dem "Höchstgericht" überprüfen lassen. Auch ein Gang bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sei möglich, erklärte Zanger gegenüber dem ORF.
Ob ein solches Verfahren wirklich erfolgsversprechend ist, ist mehr als fraglich. Erst im Juli hat der EGMR das belgische Verschleierungsverbot für rechtmäßig erachtet. Für ein Miteinander sei es unerlässlich, dem Anderen ins Gesicht schauen zu können, erklärten die Richter.
Genau so klingt auch die Begründung für das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz in Österreich. Die rot-schwarze Koalition hatte das Gesetz nach eigenen Angaben aus Sicherheitsgründen und aus Gründen des offenen gesellschaftlichen Miteinanders beschlossen.
Es ist nicht ausdrücklich gegen bestimmte muslimische Bekleidungssitten gerichtet, sondern spricht allgemein davon, dass die Gesichtszüge vom Kinn bis zum Haaransatz in der Öffentlichkeit erkennbar sein müssen. Insofern gilt es auch für Atemschutzmasken, die ohne ärztliches Attest umgebunden werden, sowie für Clownsmasken außerhalb der närrischen Zeit. Und eben für Schals. Es sei denn, es ist kalt.
mgö/pl/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
Weil sie einen Schal trug: . In: Legal Tribune Online, 19.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25119 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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