Er hatte eine Grünen-Abgeordnete am Wahlkampfstand beleidigt, gedrängt und geschlagen. Nun wurde ein 66-jähriger Mann vom AG Göttingen zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Attacke sei auch ein Angriff auf die Demokratie, so die StA.
Nur zwei Wochen nachdem ein Mann die niedersächsische Grünen-Politikerin Marie Kollenrott an einem Wahlkampfstand angegriffen und verletzt hatte, musste sich der 66-Jährige vor dem Amtsgericht (AG) Göttingen verantworten. Die Richterin verurteilte ihn zur Zahlung einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20 Euro, d.h. insgesamt 1.600 Euro. Zudem muss der Rentner 600 Euro Schmerzensgeld zahlen (Az. 39 Ds 300 Js).
Die Richterin sah es als erwiesen an, dass der ehemalige Inhaber eines Landschafts- und Gartenbetriebs Ende Mai mehrfach gegen den linken Oberarm der 39-Jährigen schlug. Zuvor soll er sie beleidigt haben. "Dreckspack, ihr Grünen!", habe er in ihre Richtung gesagt. Als die Politikerin ihn zur Rede stellen wollte, habe er sie umgehend bedrängt, geschlagen und habe sich dann von ihr entfernt.
Als er bemerkte, dass die Landtagsabgeordnete ihn verfolgte und Handyfotos von ihm machte, ging er erneut auf sie los, bis Menschen dazwischengingen. Zwei Zeugen hatten das während des Prozesses bestätigt. Verurteilt wurde der Rentner wegen Körperverletzung in zwei Fällen sowie Beleidigung in einem Fall. Die Polizei nahm den Tatverdächtigen kurz danach in Tatortnähe fest. Später wurde bekannt, dass er in der Vergangenheit bereits durch das Nutzen von Nazisymbolen aufgefallen war und auch dafür bereits verurteilt wurde.
Staatsanwaltschaft: Angriff auf die Demokratie
Kollenrott erlitt nach eigenen Angaben Prellungen am linken Oberarm und Kratzspuren am rechten Unterarm. Die Politikerin gab zudem an, dass sie in den Tagen nach der Tat Schwierigkeiten hatte, zu schlafen, und dass die Tat sie bei künftigen Wahlkampfveranstaltungen vermutlich beschäftigen werde. Während des Prozesses wirkte sie angespannt und vermied direkten Blickkontakt mit dem Täter.
Die Staatsanwaltschaft (StA) hatte eine Geldstrafe von 1.800 Euro beantragt. Der Staatsanwalt hatte betont, dass die Attacke auch als ein Angriff auf die Demokratie zu werten sei. Diese dürfe es sich nicht gefallen lassen, dass Wahlkampfstände bald Polizeischutz bräuchten.
Der Angeklagte, der den Prozess größtenteils desinteressiert verfolgte, hatte die Tat zuvor abgestritten. Die Vorwürfe seien "einfach nur Quatsch", sagte er am Montag vor Gericht. Sollte er die Politikerin berührt haben, entschuldige er sich aber dafür. Er sagte zudem, er wolle auf einen DNA-Test warten. Dieser werde beweisen, dass er die Abgeordnete nicht berührt habe. Darüber hinaus wolle er den Medienrummel nicht mitmachen, sagte er in seiner Einlassung zu Prozessbeginn. Die Richterin entgegnete, dass ein DNA-Test keine Bedeutung für das Urteil habe, da die für den Prozess relevanten Schläge auf die Jeans-Jacke der Grünen-Politikerin trafen.
Braucht es eine Verschärfung des Strafrechts?
Nach dem Urteil zeigte sich die Politikerin erleichtert darüber, dass das Verfahren innerhalb eines Tages abgeschlossen wurde sowie über den Schuldspruch. Sie sei zudem froh, dass das Gericht die Tat in ihrer Gänze verurteilt hätte. "Sowohl der Angriff auf mich als Frau, der Angriff auf die Demokratie und die rechtsextreme Tendenz des Täters wurden berücksichtigt", sagte Kollenrott. Sie hoffe, nach dem formalen Abschluss nun auch mental schnell einen Abschluss der Tat finden zu können. Kollenrott kündigte zudem an, das Schmerzensgeld an die Frauenberatung sowie das antifaschistische Archiv in Göttingen spenden zu wollen.
Der Vorfall reiht sich in eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle in jüngerer Vergangenheit ein. Die Angriffe auf mehrere Politiker während des Wahlkampfes hatten eine Debatte über härtere Strafen angefeuert. Bundesjustizminister Marco Buschmann hält eine Verschärfung des Strafrechts für unnötig. Die Taten könnten auch jetzt schon entsprechend geahndet werden.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
lmb/dpa/LTO-Redaktion
Nach Angriff am Wahlkampfstand der Grünen: . In: Legal Tribune Online, 18.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54790 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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