Nach zwei Tagen mit kleinteiligen Anträgen, spannenden Rechtsfragen und bisweilen skurrilen Momenten endet die mündliche Verhandlung - allerdings ohne Urteil. Denn vor Gericht ist noch nicht fertig verhandelt. Wann es weitergehen kann, ist unklar.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen hat im Berufungsverfahren im Streit der AfD mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auch nach dem zweiten von zwei angesetzten Verhandlungstagen noch keine Urteile verkündet. Wann die Verhandlung fortgesetzt wird, ist noch offen.
Nach zwei Tagen, die angefüllt waren mit kleinteiligen Erörterungen und zahlreichen Anträgen der Partei, entschied der Vorsitzende Richter, Gerald Buck, am Mittwochabend, die Sitzung zu schließen und die Verhandlung zu einem späteren, noch bekanntzugebenden Termin fortsetzen zu lassen. Nach wiederholten Beratungen des 5. Senats und nach zahlreichen Anträgen durch die AfD hatte das Gericht das Programm für die mündliche Verhandlung auch am zweiten Tag nicht beenden können. Weitere Termine hatte das OVG nicht eingeplant. Weil die ursprünglich geplanten Termine für den Prozess im Februar wegen einer Materialnachlieferung des BfV und einer zusätzlichen Sichtungszeit durch die AfD nicht genutzt wurden, hatte das Gericht sich auf die "Reservetermine" im März verlegt.
In dem Verfahren geht es um die Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz. Der 5. Senat soll klären, ob das Urteil aus der Vorinstanz am Verwaltungsgericht Köln Bestand hat. Das Bundesamt (BfV) mit Sitz in Köln hatte die Partei sowie die Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft.
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Und hier finden Sie eine Einschätzung, was für die AfD vor Gericht in Münster überhaupt auf dem Spiel steht.
So lief der zweite Verhandlungstag in Münster ab, das wurde wichtig:
Im Berufungsverfahren um die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall haben Anwälte der Partei versucht, dem Verfassungsschutz Details zu seinen Methoden der Informationsbeschaffung zu entlocken. Sie stellten außerdem einen Antrag, die Verhandlung zu unterbrechen und frühestens in sechs Wochen fortzusetzen. Um den Vorwurf des Verfassungsschutzes, die AfD unterscheide zwischen einem ethnisch definierten deutschen Volk und einem rechtlich definierten Staatsvolk, schlug Roman Reusch, Mitglied des AfD-Bundesvorstandes, vor, AfD-Mitglieder mit Migrationshintergrund als Zeugen zu befragen.
Der Anwalt des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Wolfgang Roth, hielt der AfD entgegen, Vertreter der Partei hätten Menschen mit Migrationshintergrund zu Menschen zweiter Klasse herabgewürdigt und über eine vermeintliche Zerstörung oder Auslöschung des deutschen Volkes gesprochen. Er zitierte unter anderem Ausführungen des Thüringer AfD-Landeschefs Björn Höcke, des Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland und von Christina Baum aus dem AfD-Bundesvorstand.
Reusch sagte, dies seien "Haarspaltereien", die von AfD-Mitgliedern mit niedrigem Bildungsniveau womöglich gar nicht verstanden würden. Er wies die Einschätzung des Verfassungsschutzes als "Unterstellungen" zurück, die seien aus kleinen Sachverhaltsschnipseln irgendwie zusammengebastelt worden.
Roth warf der AfD zudem vor, Anträge "ins Blaue hinein" zu stellen mit dem Ziel der "Prozessverschleppung". Die Anwälte der AfD, Michael Fengler und Christian Conrad von der Kanzlei Höcker Rechtsanwälte, wiesen dies zurück. Auch der Vorsitzende Richter, Gerald Buck, betonte nach mehreren ausführlichen, nahezu wortgleichen Anträgen der AfD zur Benennung von Zeugen, ihm sei an einer effizienten Prozessführung gelegen.
AfD will mehr über Informanten wissen
Am Mittwoch ging es unter anderem um den Einsatz von virtuellen Agenten, also Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, die in sozialen Netzwerken mit einer anderen Identität unterwegs sind, und sogenannten V-Leuten – Informanten aus dem Umfeld der Partei. Das BfV hatte am Dienstagabend erklärt, "dass nur zwei der einigen Tausend Belege", die dem Gericht dazu vorgelegt worden seien, "Äußerungen oder Verhaltensweisen von menschlichen Quellen des Verfassungsschutzes beinhalten".
Das Bundesamt habe zudem kritisch geprüft, ob während der Bearbeitung der AfD als Verdachtsfall und hinsichtlich ihrer Nachwuchsorganisation während der Bearbeitung der Jungen Alternative als Verdachtsfall und als erwiesen extremistische Bestrebung Mitglieder von Landes- oder Bundesvorständen als Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes eingesetzt wurden, von denen eine "steuernde Einflussnahme" hätte ausgehen können. Eine solche Einflussnahme sei im relevanten Zeitraum nicht gegeben gewesen.
Verfassungsschutz schließt "Fremdsteuerung" aus
Am Mittwoch betonte der Verfassungsschutz dann auf Nachfrage, seine Belege zur AfD stammten hauptsächlich aus Reden und Social-Media-Posts von Mandatsträgern und Funktionären. Dass Mitarbeiter oder Informanten des Bundesamtes oder der Landesbehörden für Verfassungsschutz diese provoziert haben könnten, sei auszuschließen. Der Anwalt des BfV warf der Gegenseite vor, sie habe bei ihren Nachfragen zu möglicher Einflussnahme von Informanten keine Anhaltspunkte vorgetragen, die auf eine "Fremdsteuerung" oder "Manipulation" hindeuten könnten.
Das Gericht hörte sich Schilderungen von drei AfD-Mitgliedern aus dem Landesverband Hessen mit Migrationshintergrund zu ihren Erfahrungen an. Dessen Landesvorsitzender Robert Lambrou wurde in Münster geboren und hat einen griechischen Vater. Ebenfalls äußerte sich eine in Nigeria geborene Frau sowie ein Mann aus dem Iran, der seit 1995 in Deutschland lebt.
Anwalt Roth bedankte sich für die Aussagen, verwies aber darauf, dass die Schilderungen nichts an den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ändern würden.
Hören Sie Dr. Markus Sehls Einschätzung zur Bedeutung des Prozesses für die Zukunft der AfD im neuen LTO-Podcast "Die Rechtslage" ab Time-Code 13:44
OVG zur Beobachtung der AfD: . In: Legal Tribune Online, 13.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54106 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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