Ein Bundeswehroffizier hat sensible Informationen an Russland weitergegeben – aus Angst vor einer "nuklearen Eskalation" des Ukraine-Kriegs. Jetzt hat das OLG Düsseldorf den Mann verurteilt.
Das OLG Düsseldorf hat einen Hauptmann der Bundeswehr wegen Spionage für Russland zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt (Az. III-7 St 2/24). Damit entsprach das Gericht in vollem Umfang der Strafforderung der Bundesanwaltschaft.
Der 54-Jährige hatte zuletzt beim Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz gearbeitet. Dort hat er Informationen beschafft und dem russischen Konsulat in Bonn und der russischen Botschaft in Berlin angeboten. Jedoch ohne erkennbaren "Erfolg": Weder die russische Botschaft noch das russische Konsulat reagierten auf seine angebotenen Informationen, berichteten verschiedene Medien aus der Gerichtsverhandlung. Trotzdem habe er immer wieder versucht, Kontakt aufzubauen: Per Post, E-Mail, mit Telefonanrufen und von einem Münzfernsprecher.
Am 3. Mai vergangenen Jahres hat der Offizier in seinem Büro ganze 123 Dokumente gesichtet und auf eine CD gebrannt. Dabei handelte es sich um 1.400 Seiten Material, das als Verschlusssache eingestuft war. Ein paar Auszüge hat er auf Papier ausgedruckt und, obwohl er dies als einziges bestritten hatte, nach Überzeugung des Gerichts auch die CD in einem Umschlag einen Tag später in den Briefkasten des russischen Generalkonsulats in Bonn eingeworfen. Dabei war er fotografiert worden.
Den Beteuerungen, dass die CD nicht in dem Umschlag war, glaubte das Gericht nicht: "Es ist wenig plausibel, dass jemand einen Verrat begeht, die Unterlagen dann aber einfach in seinem Büro liegen lässt." Zudem sei die CD bei der Durchsuchung nicht gefunden worden. Die Dokumente enthielten Details aus Beschaffungsprojekten der Bundeswehr für die elektronische Aufklärung und Kampfführung. Damit habe er militärisch sensible Informationen verraten, so der Vertreter der Bundesanwaltschaft bei der Verhandlung. Der 54-Jährige habe sich als Agent für einen Staat betätigt, der sich als rücksichtsloser Aggressor erwiesen habe, was strafschärfend zu berücksichtigen war.
Am 9. August wurde der Berufssoldat festgenommen und saß seitdem in Untersuchungshaft.
Geheimdienstliche Agententätigkeit und Verrat von Dienstgeheimnissen
Das Gericht sprach den Mann wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Verrat von Dienstgeheimnissen schuldig. § 99 Abs. 1 StGB stellen es unter Strafe, einem Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik auszuüben, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist. Entgegen der Anklage kam das Gericht jedoch nicht zu dem Schluss, dass es sich um einen schweren Fall der Agententätigkeit handelt. Denn zwei Gutachten waren zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen, was die Brisanz des verratenen Materials angeht. Ein besonders schwerer Fall liegt nur dann vor, wenn für die ausgeübte Agententätigkeit eine verantwortliche Stellung missbraucht wird, die den Täter zur Wahrung solcher Geheimnisse verpflichtet. Mit der Weitergabe hat der Angeklagte Dienstgeheimnisse verraten und sich damit auch nach § 353b StGB strafbar gemacht.
Um Staatsgeheimnisse handelt es sich nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht. Staatsgeheimnisse sind nach § 93 StGB "Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden." Bei der Begründung der Strafforderung führte die Bundesanwaltschaft aus, dass dem Angeklagten auch lebenslange Freiheitsstrafe hätte drohen können, wenn es sich um Staatsgeheimnisse gehandelt hätte. Auch die geforderten dreieinhalb Jahre stellen nicht das Höchstmaß des § 99 StGB dar.
"Der größte Bockmist, den ich in meinem Leben gebaut habe"
Der nun Verurteilte hat die Tat umfassend gestanden und blickt mit Bedauern auf seine Taten: "Es ist der größte Bockmist, den ich in meinem Leben gebaut habe", sagte er in seinem Schlusswort. Er erklärte seine Taten mit seinem desolaten psychischem Zustand. Er habe unter Depressionen gelitten, die sein rationales Denken beeinträchtigten. Die hohen beruflichen Anforderungen hätten ihm zugesetzt. In dieser Zeit habe er immer mehr Medieninhalte auf Telegram und TikTok konsumiert und sei dabei auf ein TikTok-Video gestoßen, das den Ausschlag für seine Taten gegeben habe solle: Dieses habe bei ihm eine akute Angst vor der Gefahr einer nuklearen Eskalation des Ukraine-Kriegs hervorgerufen, was er mit seiner Unterstützung der russischen Streitkräfte verhindern wollte.
Zeitgleich ist er der AfD beigetreten. Kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs, hat er sich politisch nach Gleichgesinnten umgesehen: Bei einem AfD-Landtagsabgeordneten und einem Kreisvorsitzenden der Partei Die Linke habe er sich informiert. Denn er war gegen eine militärische Unterstützung der Ukraine. Auch seinen Partei-Eintritt bereut er: Mittlerweile ist er aus der Partei wieder ausgetreten. Wohl aber zu spät, denn der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass auch seine politischen Ansichten für die Tat bedeutsam waren.
mka/LTO-Redaktion
Mit Material der dpa
Wegen Russland-Spionage: . In: Legal Tribune Online, 27.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54634 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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