Eine posttraumatische Belastungsstörung durch viele Jahre Arbeit mit Leichen? Nicht ausgeschlossen, so das LSG Berlin-Brandenburg, aber belastbar erwiesen sei das nicht - entsprechend greife auch nicht der Unfallversicherungsschutz.
Für einen Leichenumbetter mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) greift nicht der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg entschieden (Urt. v. 27.04.2023, Az. L 21 U 231/19).
Zwischen 1993 und 2005 war der klagende Mann für den Verein "Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge" als Leichenumbetter in Mittel- und Osteuropa tätig. Konkret war er mit Schaufel und Bagger für die Exhumierung und Identifizierung von Weltkriegstoten sowie Toten der Jugoslawienkriege tätig. Dabei barg er die Gebeine der Toten aus den Grabanlagen und versuchte Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, Körperbau und Todesursache zu bestimmen. Dies wurde auch fotografisch dokumentiert.
Ab 2005 war der Mann arbeitsunfähig erkrankt. Zwölf Jahre später wandte er sich an die Berufsgenossenschaft, da es durch die beschriebene Tätigkeit bei ihm zu gesundheitlichen Störungen mit einer lebenslangen Behinderung gekommen sei. Jedoch lehnte die Berufsgenossenschaft es ab, die Erkrankung des Mannes einer Berufskrankheit gleichzustellen ("Wie-Berufskrankheit").
Dagegen klagte der Mann erfolglos vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam. Auch beim LSG Berlin-Brandenburg kam es nun zu keinem anderen Ergebnis.
LSG: Keine belastbaren Studienergebnisse über PTBS bei Leichenumbettern
Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) durch die Bundesregierung geregelt. Im vorliegenden Fall kam es für die Entscheidung maßgeblich auf § 9 Abs. 2 SGB VII an, wonach auch solche Krankheiten dem Versicherungsschutz unterfallen, die zwar nicht in der BKV geregelt sind, aber unter § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII fallen. Dies ist der Fall, wenn Krankheiten nach medizinischen Erkenntnissen durch Einwirkungen verursacht sind, welche bestimmte Personengruppen in erheblich höhrem Maße ausgesetzt sind.
Hier vermochten jedoch weder die Berufsgenossenschaft noch das SG Potsdam bzw. das LSG Berlin-Brandenburg festzustellen, dass epidemiologische Studien gesicherte Erkenntnisse dazu enthalten, dass zwischen der Tätigkeit als Leichenumbetter und PTBS ein hinreichender Zusammenhang besteht. Es fehle insoweit bereits an statistisch relevanten Zahlen zur Gruppe der Leichenumbetter, so das LSG. Auch Auf Studien zu ähnlichen Berufsgruppen mit ähnlichen Belastungen (bspw. Militärbestatter) kann nach Auffassung des 21. OLG-Senats mangels Übertragbarkeit nicht zurückgegriffen werden.
Letztlich sei für die Anerkennung einer "Wie-Berufskrankheit" nicht ausreichend, dass die bloße Möglichkeit einer psychischen Belastung durch langjährigen Kontakt mit Leichen besteht, so der Senat.
Gegen das noch nicht rechtskräftige Urteil kann der Mann noch die Zulassung der Revision beim Bundessozialgericht (BSG) beantragen.
jb/LTO-Redaktion
LSG Berlin-Brandenburg: . In: Legal Tribune Online, 12.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51760 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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