Bundesverwaltungsgericht: Warum das Com­pact-Ver­bot vor­läufig auf­ge­hoben wurde

von Dr. Markus Sehl und Joschka Buchholz

14.08.2024

Das rechtsextreme Compact-Magazin wehrt sich mit Erfolg gegen das BMI-Verbot. In einem Eilverfahren entschied das BVerwG, es darf erst einmal weitermachen. Das Gericht hat Zweifel, ob das Verbot verhältnismäßig war. Hätte es mildere Mittel gegeben?

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass der Sofortvollzug des Verbots von "Compact" teilweise ausgesetzt wird (Beschl. v. 14.08.2024, Az. 6 VR 1.24). Konkret hatte ein Antrag von Compact auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegen die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums (BMI) Erfolg. Das BMI hatte die Gesellschaften hinter Compact erst kürzlich verboten, auch weil es sich bei dem Magazin um ein "zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene" handele, so Ministerin Nancy Faeser (SPD) zum Verbot Mitte Juli.

Aus Sicht des 6. Senats überwiegt im Eilverfahren das Aussetzungsinteresse von Compact, weil mit der Vollziehung des Vereinsverbots die sofortige Einstellung der gesamten Medientätigkeit einhergeht. Gerade diese Medientätigkeit mache aber den Schwerpunkt der Tätigkeit der Compact-Magazin GmbH. Eine Aussage, die auch für das Klageverfahren gegen das Verbot in der Hauptsache Bedeutung erlangen dürfte. Deshalb komme in der Abwägung der Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) besonderes Gewicht zu. 

Pressefreiheit spricht dafür, statt Totalverbot mildere Mittel einzusetzen

Das BMI hatte sein Verbot auch damit begründet, dass Compact seine Medienerzeugnisse gezielt mißbrauche, um ihre verfassungsfeindlichen Zielsetzungen reichweitenstark zu verbreiten. Damit sollte die Bedeutung der Pressefreiheit für das Verbot wohl zurückgesetzt werden. Das Mißbrauchsargument wird in der Pressemitteilung des BVerwG mit keinem Wort erwähnt. Vielmehr wird die Bedeutung der Presse- und Meinungsfreiheit für den Fall mehrfach betont.

Aus der Pressemitteilung ergibt sich, dass das BVerwG davon ausgeht, dass das Vereinsgesetz und seine Verbotstatbestände auch auf Medienunternehmen angewendet werden dürfen. Allerdings muss die Presse- und Meinungsfreiheit dann bei der weiteren Prüfung besondere Beachtung finden. Insbesondere bei der Verhältnismäßigkeit des Verbots. "Denn als mögliche mildere Mittel sind presse- und medienrechtliche Maßnahmen, Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote sowie Einschränkungen und Verbote von Versammlungen in den Blick zu nehmen", heißt es in der Pressemitteilung des BVerwG.

BVerwG mit Hinweisen, dass Verbot unverhältnismäßig sein könnte

Zwar ließen einzelne Ausführungen in den Online- und Print-Publikation von Compact Anhaltspunkte für eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) erkennen. Und einiges deute auch darauf hin, dass mit der Rhetorik in vielen Beiträgen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen eingenommen werde. Andererseits seien "in weiten Teilen" Beiträge nicht zu beanstanden, insbesondere wiederum mit Blick auf die Bedeutung von Meinungs- und Pressefreiheit. Und so hat das BVerwG Zweifel , ob die einzelnen die Menschenwürde verletzenden Passagen für die Ausrichtung von "Compact" insgesamt prägend sind. Deshalb sei auch zweifelhaft, ob das Verbot verhältnismäßig sei. 

"Das Bundesverwaltungsgericht lässt durchblicken, dass es das Compact-Verbot jedenfalls mit der derzeitigen Begründung des BMI auch in der Hauptsache kippen würde", sagt Dr. Benjamin Lück, Jurist bei der Gesellschaft für Freiheitsrecht (GFF). Insbesondere was den prägenden Charakter verfassungsfeindlicher Aussagen und die Verhältnismäßigkeit angeht. "Für die Pressefreiheit ist dieser neue Maßstab des Gerichts zunächst einmal ein Fortschritt, daran werden sich zukünftig Verbote von Medienunternehmen mit den Mitteln des Vereinsrechts messen lassen müssen."

Endgültig wird darüber vom BVerwG erst zu den Klagen entschieden. Das kann Monate oder sogar Jahre dauern. In dem Eilrechtsverfahren geht es darum, die Rechtslage bis zu dieser Klageentscheidung so zu regeln, dass den Klägern in der Zwischenzeit etwa keine unwiderruflichen Schäden entstehen. Die “Compact-Magazin GmbH”, die das Magazin online und in Print herausgibt, hatte mit ihrem Eilantrag Erfolg. Weitere Anträge von Einzelpersonen etwa Redaktionsmitgliedern und der zu Compact gehörenden "Conspect-Film GmbH", die Inhalte über die Videoplattform Youtube verbreitet, blieben hingegen ohne rechtlichen Erfolg. Dennoch wird mit der Entscheidung auch das Verbot gegenüber der “Conspect” außer Vollzug gesetzt, sie wird als Teil der Compact gesehen, profitiert also von deren Erfolg im Eilverfahren. Rechtlich gescheitert war sie ebenso wie die Einzelpersonen, weil ihnen die Klagebefugnis fehlte.

BMI will seine Rechtsauffassung weiter substanziieren

Das BMI zeigte sich am Mittwoch unbeeindruckt. “Das Bundesinnenministerium hat das verfassungsfeindliche aggressiv-kämpferische Agieren der ‘Compact-Magazin GmbH’ in der Verbotsverfügung umfassend begründet und durch umfassendes Beweismaterial der Sicherheitsbehörden belegt", teilte eine Sprecherin des Ministeriums mit. Es werde seine Rechtsauffassung für das Verbot im Hauptsacheverfahren weiter umfassend darlegen und den “prägenden Charakter der Verfassungsfeindlichkeit weiter substanziieren”.

Auch die sichergestellten Beweismittel dürften weiterhin in das Verfahren einfließen und würden vom Ministerium derzeit ausgewertet. Die Vereinigung weise enge Verbindungen zur rechtsextremistischen Identitären Bewegung und zum rechtsextremistischen Parteienspektrum auf, sagte die Sprecherin. Das zeige sich unter anderem in der wechselseitigen Teilnahme an und Unterstützung von Veranstaltungen. 

Compact-Magazin darf erst einmal weitermachen

Konkret folgt aus der Entscheidung, dass Compact jedenfalls bis zum Abschluss des Klageverfahrens vorerst nun doch weiter arbeiten und veröffentlichen darf. Auch die beschlagnahmten Sach- und Vermögenswerte müssen wieder freigegeben werden. Dafür werden die örtlichen Verwaltungsgericht zuständig sein. Dies geschieht indes mit der Maßgabe, dass die Sicherheitsbehörden nach Zustellung des begründeten Beschluss noch innerhalb einer Woche beschlagnahmte Dokumente und Daten sichern dürfen. 

Auch den Antragstellern liegt derzeit nur der Tenor der Entscheidung vor, die Begründung wird das BVerwG erst in den kommenden Tagen absetzen und mit dem Beschluss veröffentlichen.

Zitiervorschlag

Bundesverwaltungsgericht: . In: Legal Tribune Online, 14.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55210 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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