Ein Fax an das Finanzamt, in dem der Holocaust geleugnet wird, ist noch keine strafbare Volksverhetzung, entschied der BGH. Es fehle an einem "Verbreiten". Für eine vorbestrafte Holocaustleugnerin bleibt es somit beim Freispruch.
Auf über 50 Seiten stellte die ehemalige Anwältin Sylvia Stolz die Massenvernichtung europäischer Juden im Zweiten Weltkrieg in Abrede. Das Schreiben versandte sie anschließend anlässlich einer Steuerangelegenheit per Fax an das Finanzamt München. Den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllte sie damit aber nicht, entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH). Weil das Schreiben nur einen begrenzten Kreis an Empfängern erreichte, liege kein "Verbreiten" im Sinne des § 130 Strafgesetzbuches (StGB) vor (Urt. v. 25.09.2024, Az. 3 StR 32/24).
Schon die 4. Strafkammer des Landgerichts (LG) München II hatte ein "Verbreiten" abgelehnt und Stolz vom Tatvorwurf der Volksverhetzung freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte daraufhin Revision gegen das Urteil ein. Für eine Verbreitung genüge bereits eine gewisse Streuung, argumentierte der Staatsanwalt damals während der Verhandlung. Schließlich könne das Schreiben weitergereicht und die entscheidenden Passagen in einem öffentlichen Prozess verlesen werden.
Äußerungen müssen "in bestimmter Weise" getätigt werden
Der BGH ließ sich hiervon jedoch nicht überzeugen und verwarf die Revision. Zwar habe Stolz in dem insgesamt 339 Seiten langen Schreiben tatsächlich den Holocaust geleugnet. "Der Volksverhetzungstatbestand ist jedoch nur dann erfüllt, wenn die betreffenden Äußerungen in einer bestimmten Weise getätigt werden", erklärten die Karlsruher Richter. Stolz habe lediglich mit einer Kenntnisnahme des Inhalts durch die Sachbearbeiter beim Finanzamt oder möglicherweise auch durch die Strafverfolgungsbehörden gerechnet. Insofern habe sie den Inhalt nicht im Sinne von § 130 StGB verbreitet.
Auch was eine mögliche Veröffentlichung des Schreibens in einem Prozess angeht, machte der 3. Strafsenat Ausführungen. Nach Auffassung des BGH ändert sich nichts an der rechtlichen Einordnung, selbst wenn Stolz sich bewusst ausmalte, es komme zu einem Strafverfahren, durch das der Inhalt des Schriftsatzes weiteren Personen bekannt werde. "Denn hierdurch kann nach Sinn und Zweck der Regelung die Strafbarkeit wegen Volksverhetzung regelmäßig nicht begründet werden", stellte der Senat klar.
Stolz ist bereits zweimal einschlägig wegen Volksverhetzung vorbestraft und musste jeweils eine Freiheitsstrafe verbüßen. Diesmal bleiben ihre Äußerungen straflos. Die Ex-Anwältin wird dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet.
lmb/LTO-Redaktion
BGH bestätigt Freispruch von Holocaustleugnerin: . In: Legal Tribune Online, 25.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55497 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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