Im LTO-Streitgespräch warf Lindemann-Anwalt Simon Bergmann der Süddeutschen Zeitung u.a. "Belastungseifer" und die Auslassung entlastender Umstände vor. Die Zeitung wollte ihm Aussagen verbieten, scheiterte damit aber vor dem LG Hamburg.
Das Landgericht (LG) Hamburg hat den Antrag der Süddeutschen Zeitung auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Rechtsanwalt Simon Bergmann abgelehnt. Die SZ hatte in Bezug auf mehrere Aussagen im LTO-Streitgespräch zur MeToo-Berichterstattung vor Gericht Unterlassungsansprüche gegen Bergmann geltend gemacht (Beschl. v. 17.01.2024, Az. 324 O 563/23). Gegen LTO wurde kein Verfahren geführt.
Anfang November hatte sich LTO-Chefredakteur Dr. Felix W. Zimmermann mit Rechtsanwalt Simon Bergmann (Schertz & Bergmann Rechtsanwälte) und Dr. Marc-Oliver Srocke (Advant Beiten) im Saal der Pressekammer des Landgerichts Berlin getroffen, um über die Fälle Lindemann, Mockridge sowie weitere pressrechtliche Themen zu diskutieren. Bergmann vertritt den Rammstein-Frontmann Till Lindemann anwaltlich, während Srocke regelmäßig auf der Gegenseite als Anwalt des Spiegels auftritt.
Was die SZ untersagen wollte
Die SZ stört sich an mehreren Aussagen von Bergmann zu ihrer MeToo-Recherche. So kritisierte Bergmann etwa den Zeugenaufruf im Internet. Dort sei mit einer Frage unterstellt worden, dass es zuvor zu einer Straftat gekommen sei und man jetzt weitere Opfer suche, die sich dort melden würden, so Bergmann. Es habe sich dabei um eine Suggestivfrage gehandelt. Wörtlich fuhr Bergmann fort. "Man fragt also nicht: Gibt es, will sich jemand melden? Sondern man fragt direkt: Habt ihr Gleiches erlebt wie Frau Lynn? Seid ihr auch mit K.O.-Tropfen ohnmächtig gemacht worden, um dann Sex mit euch zu haben?".
Die SZ, vertreten durch Lausen Rechtsanwälte (Martin Schippan), sieht sich falsch wiedergegeben. Es sei wahrheitswidrig, dass die SZ-Redakteurin eine Suggestivfrage gestellt habe, in der unterstellt werde, es sei zu einer Straftat gekommen und man würde nunmehr weitere Opfer suchen. Tatsächlich sei lediglich nach Erfahrungen mit Rammstein und Konzertbesuchen gefragt worden.
LG Hamburg sieht Anknüpfungstatsachen für Suggestivfragen und Belastungseifer
Aus Sicht der Pressekammer des LG Hamburg (Zivilkammer 24) versteht das "unvoreingenommene und verständige Durchschnittspublikum" die Aussage Bergmanns nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung, konkret als Äußerung der eigenen, von Wertungen geprägten Wahrnehmung. Dies werde insbesondere dadurch deutlich, dass Bergmann den Inhalt des Tweets unterschiedlich und teilweise überspitzt wiedergegeben habe, um seine eigene Bewertung der ursprünglichen Aussage der SZ-Redakteurin zum Ausdruck zu bringen. Meinungsäußerungen sind nur ausnahmsweise verbotsfähig, etwa wenn es für eine Meinung keine tatsächlichen Anknüpfungstatsachen gibt.
Das LG Hamburg sieht für Bergmanns Vorwurf der "Suggestivfrage" solche Anküpungstatsachen, schon weil der Aufruf im Kontext der Vorwürfe gegen Rammstein getätigt wurde und die Hashtags #MeToo erhält. Zudem habe NDR/WDR/SZ-Rechercheleiter Daniel Drepper selbst einen Post abgesetzt, in dem er unter Bezugnahme auf die Recherche nach Personen gesucht hat, die "ebenfalls" solche Erfahrungen mit Lindemann gemacht haben.
Auch alle weiteren Aussagen von Bergmann bleiben erlaubt
Auch die Aussage Bergmanns, die SZ würde entlastende Tatsachen in der Berichterstattung außer Acht lassen und habe einen "Belastungseifer", sind nach Ansicht des LG zulässige Meinungsäußerungen. So sei unstreitig, dass im SZ-Artikel vom 02.06.2023, nicht erwähnt wurde, dass eine Frau in einer eidesstattlichen Erklärung erklärte, nicht zu wissen, ob "Lindemann sie in einem Hotelzimmer penetriert habe".
Die SZ hat nun die Möglichkeit das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen. Das LTO-Streitgespräch ist weiterhin hier zu sehen, ein begleitender Artikel mit einem Glossar zur Thematik ist hier abrufbar.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Medium selbst im Komplex "Lindemann" in Angriffsmodus gegen dessen Rechtsanwälte übergeht. Zuletzt hatte der Spiegel wegen einer Pressemitteilung Unterlassungsansprüche gegen Schertz Bergmann geltend gemacht; zunächst ohne Erfolg, da das LG eine Wiederholungsgefahr wegen einer Klarstellungserklärung verneinte. Nachdem die Pressemitteilung jedoch weiter abrufbar war, erließ das LG schließlich die einstweilige Verfügung.
jb/LTO-Redaktion
Bergmann-Aussagen im LTO-Streitgespräch bleiben erlaubt: . In: Legal Tribune Online, 23.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53697 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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