Ein alter Wallach wird von einem Hund bis ins nächste Dorf gejagt und verletzt sich - lohnt sich die Behandlung da noch? Damit hat sich das OLG Celle befasst und dabei Empathie für Beziehungen zwischen Mensch und Tier gezeigt.
Tierbehandlungskosten können auch dann zu ersetzen sein, wenn diese den Wert des Tieres um ein Vielfaches übersteigen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle im Fall eines Pferdes entschieden, welches durch einen Hund verfolgt wurde und sich dabei verletzte (Urt. v. 15.02.2023, Az. 20 U 36/20).
Der zum Zeitpunkt des Unfalls 24 Jahre alte Wallach hatte damals einen wirtschaftlichen Wert von nur noch etwa 300 Euro. Gleichwohl sei er ein "Weidekamerade", der als "Gesellschafter" für andere Pferde diene, so ein Sachverständiger. Außerdem war das Pferd noch in sehr gutem Zustand. Zum Unfall kam es, als ein Hund auf die Pferdekoppel lief und den Wallach bis in den nächsten Ort verfolgte. Dabei stürzte das Pferd mehrfach und verletzte sich schwer. Daraufhin ließ der Kläger das Pferd für 14.000 Euro operieren.
Schon das Landgericht (LG) Verden verurteilte die Hundehalterin dazu, die Behandlungskosten für das Pferd zu tragen. Der 20. Zivilsenat des OLG Celle wies die Berufung gegen das Urteil nunmehr zurück.
Enge Bindung zum Pferd spielt eine Rolle
Auch wenn der Schaden auf den eigenen Fluchtinstinkt des Pferdes zurückzuführen ist, muss die Hundehalterin diesen vollumfänglich tragen, so der Senat. Beim Unfall sei es nicht bloß zu einem kurzen Erschrecken gekommen, vielmehr habe der Hund das Pferd über die Koppel und über den Weidezaun sowie über die Straße bis in die nächste Ortschaft "auf das Äußerste" getrieben. Diese vom Hund ausgehende Gefahr überwiege den eigenen Verursachungsbeitrag des Pferdes deutlich, so der Senat.
An der Entscheidung, dass die Hundehalterin den gesamten Schaden ersetzen muss, ändert auch der wirtschaftliche Wert des Pferdes nichts. Zwar übersteigen die Behandlungskosten den Wert des Pferdes um das 49-fache. Nach Überzeugung des Senats verbiete sich indes eine streng wirtschaftliche Betrachtungsweise "aufgrund der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf und schmerzempfindliches Lebewesen".
Es seien vielmehr sämtliche Umstände abzuwägen, wozu unter anderem auch die Erfolgsaussichten der Behandlung, das Alter des Tieres sowie die Beziehung des Halters zum Tier zählen. Der Wallach war in diesem Fall das erste Pferd, welches der Kläger erworben hatte. Seit dem Kauf kurz nach der Geburt hatte er eine "besonders enge Bindung" zu dem Pferd.
jb/LTO-Redaktion
OLG Celle zu Tierbehandlungskosten: . In: Legal Tribune Online, 24.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51155 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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