Die Streichung des Ruhetages in der ersten juristischen Staatsprüfung in Baden-Württemberg ist endgültig. Selbst wenn die Begründung dafür okay ist – es geht mal wieder zulasten der Prüflinge, meint Katharina Uharek.
Es ist bestätigt: In Baden-Württemberg wird es künftig keine Ruhetage mehr zwischen den Examensklausuren geben. Auf LTO-Anfrage teilte das Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg Anfang der Woche mit, dass die Entscheidung, ab 2024 vorerst einen, später wahrscheinlich beide Ruhetage während der ersten juristischen Staatsprüfung in Baden-Württemberg zu streichen, endgültig ist.
Das Online Magazin Jurios hatte zuerst über das Vorhaben berichtet. Kurz darauf kritisierten Verbände, etwa der Landesvorstand der Neuen Richtervereinigung in Baden-Württemberg und eine Vielzahl Studierender, die beabsichtigte Streichung der Ruhetage. Nun teilte das Ministerium mit, dass nach Diskussionen um eine mögliche Rückgängigmachung eine endgültige Entscheidung gefallen sei – und die geht mal wieder zulasten der Studierenden.
Jeder, der ein oder sogar zwei juristische Staatsexamen geschrieben hat, weiß genau, welchen Prüfungshorror die Aufsichtsarbeiten mit sich bringen. Bundesweit werden die fünfstündigen Klausuren in einen Zeitraum von nur zwei Wochen gequetscht.
Da waren's nur noch acht
Bisher läuft es in Baden-Württemberg so wie im Großteil der anderen Bundesländer auch. Von dem grundsätzlichen Schema - Montag, Dienstag, Mittwoch frei, Donnerstag, Freitag, Wochenende und noch einmal Montag, Dienstag - weichen nur wenige Bundesländer ab. Die sechs Aufsichtsarbeiten wurden in Baden-Württemberg bislang verteilt über zehn Tage geschrieben, künftig werden es noch neun, dann nur noch acht sein.
Nach Angaben des Ministeriums werden die Prüfungen in Baden-Württemberg für die Erste juristische Prüfung ab 2024 nun mit nur einem Ruhetag, also ohne Unterbrechung von Mittwoch bis Freitag geschrieben werden. In der folgenden Woche ist nur noch ein klausurfreier Tag vorgesehen. Nach dem Wechsel in das elektronische Prüfungsformat wird es voraussichtlich gar keinen Ruhetag mehr geben. Das LJPA passt sich damit an strenge bayerische Verhältnisse an, dort gibt es schon nach jetziger Regelung keinen einzigen Ruhetag mehr. Ob der Freistaat das Maß aller Dinge sein sollte, wenn es um gesunde Prüfungsbedingungen geht, ist ein Thema für sich.
Geld über Gesundheit?
Mit der Entscheidung, zunächst einen und wahrscheinlich letztlich beide Ruhetage zu streichen, macht das LJPA sein fehlendes Bewusstsein für die Ausnahmesituation während der Examensklausuren deutlich. Neben Schlafmangel plagen viele Kandidat:innen auch andere Einschränkungen. In Bundesländern, in denen die Abschlussarbeiten noch mit Stift und Papier geschrieben werden, produzieren Studierende jeweils bis zu 25 Seiten handgeschriebener Klausurlösung. Nicht selten begegnet man im Prüfungssaal Kandidat:innen mit Handgelenksschienen und Paracetamol für die sich anbahnende oder schon vorhandene Sehnenscheidenentzündung. Glücklicherweise führen – endlich – schrittweise mehr und mehr Bundesländer das E-Examen ein. Bis das Formulieren der Klausurlösung am Computer möglich ist, ist ein zusätzlicher Ruhetag aber nicht nur für den Kopf, sondern auch für die Hand Gold wert.
Das Ministerium begründet auf LTO-Anfrage die Streichung damit, dass es in der Vergangenheit vermehrt Beschwerden wegen unzureichender und teils nicht die Chancengleichheit wahrender Prüfungsbedingungen gegeben habe. Ziel des gestrafften Prüfungszeitraums sei es daher, nicht nur Räumlichkeiten zu finden, die den Anforderungen des geplanten E-Examens gerecht werden, sondern "auch und gerade, große und moderne Prüfungshallen anmieten zu können. Durch einen gestrafften Prüfungszeitraum besteht eine größere Flexibilität und damit eine größere Chance, an allen Standorten adäquate und finanzierbare Räumlichkeiten zu finden", heißt es seitens des Ministeriums.
Mit anderen Worten: Es fehlt das Geld, um geeignete Räume für einen verlängerten Examenszeitraum anzumieten. Dass die "Lösung" nun darin liegen soll, den Studierenden die Pause zu streichen, anstatt mehr Geld in die Hand zu nehmen, lässt tief blicken. Wie wesentlich dieser eine Tag für Prüflinge ist, hätten Studierende dem LJPA sicherlich deutlich gemacht - wenn sie an der Entscheidung beteiligt gewesen wären.
Das Examen ist eine stetig steigende psychische und physische Belastung
Wer schon einmal fünf Stunden maximale Konzentration aufgebracht und gleichzeitig Aufregung, Stress und einige Kaffee zu viel gemanagt hat, weiß, dass danach gar nichts mehr geht. Nach Klausurende und Ankunft zuhause gegen 15.00 Uhr bleibt oft nicht genug Zeit, um sich zu erholen, bis am nächsten Klausurtag um 06.00 Uhr schon wieder der Wecker klingelt. Zwei Tage am Stück sind vielleicht gerade noch machbar, drei sind kaum auszuhalten.
Ich kann das Tastaturgehämmer der Kommentare unter diesem Meinungsbeitrag schon förmlich hören: "Das war schon immer so" und "Die sollen sich nicht so haben". Manch einer mag die Belange Studierender als kleinliches "Mimimi" abstempeln. Letztlich verlangt die erste juristische Prüfung den Kandidat:innen aber seit Jahren psychische und physische Hochleistungen ab. Warum muss man ihnen das Leben durch Entscheidungen wie diese noch schwerer machen?
Selbst wenn es nur eine geringe Auswahl an passenden Orten gibt, kann die Lösung nicht in einer Entscheidung liegen, die ausschließlich zulasten der Prüflinge geht. Wer über juristischen Nachwuchsmangel klagt, sollte besser insbesondere dann hinhören, wenn es diesem gerade um die nur vermeintlich "kleinen Dinge" in der Juristenausbildung geht.
Ruhetage im Examen gestrichen: . In: Legal Tribune Online, 25.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51156 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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