Bundesjustizminister Buschmann will am umstrittenen Weisungsrecht der Politik gegenüber Staatsanwälten festhalten. Das Instrument rechtssicher zu machen, ist ein guter Ansatz. Denn er kann Staatsanwälte in ihrer Verantwortung stärken.
Im Endspurt dieser Legislaturperiode kommt ein Dauerbrenner-Thema der Justiz auf die Berliner Agenda: das Weisungsrecht. FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann will an dem umstrittenen Instrument festhalten, es aber rechtssicherer machen. Ein guter Ansatz. Denn er setzt bei den Staatsanwälten und ihrer eigenen Verantwortung an.
Per Weisung können Justizminister in Bund und Ländern auf die Arbeit der Staatsanwaltschaften Einfluss nehmen. Eine deutsche Besonderheit im europäischen Vergleich. Sie haben es in der Hand, Ermittlungen anzustoßen, zu lenken oder zu beenden. Das kommt selten vor, aber es kommt vor. So geschehen beim Kräftemessen zwischen SPD-Justizminister Heiko Maas und seinem Generalbundesanwalt Harald Range in der Netzpolitik-Affäre oder bei der Wiederaufnahme im Mollath-Justizskandal. Und dann kann es für alle Seiten unangenehm werden: Die Politik riskiert mit ihrem Eingriff in die Ermittlungsarbeit Kritik, die Staatsanwaltschaft sieht schlecht aus, weil abhängig und das öffentliche Vertrauen in das Justizsystem kann in Mitleidenschaft gezogen werden. Und auch wenn es selten so weit kommt, Staatsanwälte beklagen eine Art latente Drohkulisse. Übernehmen sie einen politisch heiklen Fall, könnte sich das Justizministerium in jedem Stand der Ermittlungen plötzlich einmischen.
Die Berliner Generalstaatsanwältin Koppers warnte Anfang 2024 zudem vor einem weiteren Missbrauchs-Szenario für das Weisungsrecht: "Wenn ein AfD-Politiker den Justizminister stellte, dann möchte ich mir nicht vorstellen, wie die Strafverfolgung aussähe, vor allem im Bereich des Rechtsextremismus." Koppers will deshalb sicherheitshalber gleich das ganze Instrument abschaffen.
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Dokumentationspflicht stärkt für Ernstfall die Staatsanwälte
Die Argumente für und gegen ein Weisungsrecht sind bekannt: Schafft man es ab, mag man der Staatsanwaltschaft zu mehr Unabhängigkeit verhelfen, auf der anderen Seite verliert man die demokratische Legitimation und Anbindung an Verantwortung. Denn gibt es Unsicherheiten bei Ermittlungen zu politisch brisanten Vorgängen, muss dafür derzeit der Justizminister Rechenschaft ablegen – gegenüber der Öffentlichkeit und dem Parlament. Wer das Weisungsrecht ganz abschaffen will, muss offen sein für einen Systemumbau in der Justiz. Es bliebe nicht bei einem kosmetischen Eingriff.
Der neue Reform-Entwurf aus dem Bundesjustizministerium will am Weisungsrecht festhalten. Das Missbrauchsrisiko soll durch Dokumentation und Transparenzregeln eingehegt werden. Auch wenn eine noch so gut gemachte Verankerung im Gesetz nie ganz verhindern wird, dass das Weisungsrecht hinter den Kulissen missbraucht wird. Bemerkenswert: Der Entwurf setzt bei den Staatsanwälten an, und er will sie ermächtigen. Denn die Beamten sind dem Weisungsrecht nicht ohnmächtig ausgeliefert. Bei Bedenken können sie ihre Vorgesetzten einschalten. Gegen rechtswidrige Weisungen können sie sich also wehren, bei diffusen Begehrlichkeiten könnte ihnen das neue Gesetz den Rücken stärken. Denn wird nun klargestellt, dass Weisungen nur in begrenzten Einzelfällen und nur gut dokumentiert erfolgen dürfen, stärkt das die Position der Staatsanwälte. Sie können dann auf diesen formellen Weg verweisen. Statt Zuruf am Telefon braucht es die Weisung schriftlich und begründet.
Wenn derzeit viel über die Absicherung von Institutionen wie Verfassungsgerichte oder Richterwahlausschüsse diskutiert wird, darf nicht vergessen werden, dass es auf die Menschen in diesen Institutionen und auf ihre Resilienz ankommen wird. Sie hängen von der Aufmerksamkeit und dem Verantwortungsbewusstsein ihres Personals ab. Der Reformvorschlag aus dem BMJ zum Weisungsrecht setzt dort an.
Reform des Weisungsrechts: . In: Legal Tribune Online, 23.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54397 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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