Compact-Verbot vorläufig ausgesetzt: Grund­sat­z­ent­schei­dung per Pres­se­mit­tei­lung

Kommentar von Dr. Markus Sehl

14.08.2024

Das BVerwG hat mehr mitgeteilt, als es musste. Schon sein Beschluss ist eine ganz wesentliche Entscheidung zu Medienverboten. Wie schnell es in einer derart demokratierelevanten Frage entschieden hat, ist nur zu begrüßen, meint Markus Sehl.

Es ist erst einmal nur eine Eilentscheidung, noch nicht einmal seine Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Mittwoch veröffentlicht. Und dennoch wird schon aus der Pressemitteilung klar, dass das Gericht eine grundlegende Entscheidung zum Schutz von Medienunternehmen getroffen hat.

Das Verbot des rechtsextremen Compact-Magazins durch das Bundesinnenministerium (BMI) wird vorläufig ausgesetzt. Ausschlaggebend war für das Gericht dabei der besondere Stellenwert der Pressefreiheit. Es hatte abzuwägen, ob das Verbot jeder Medienarbeit bis zu einer Entscheidung über die eigentlichen Klagen Compact zwischenzeitlich besonders hart trifft. Compact darf nun erst einmal weitermachen – ein herber Rückschlag für den Vorstoß von Innenministerin Nancy Faeser.

Der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, der wie alle Senate des Gerichts seine Pressemitteilung übrigens selbst verfasst, hat darüber hinaus auch Aussagen getroffen, die für das endgültige Schicksal des Verbots entscheidend werden dürften.

Drei wesentliche Kritikpunkte

Zum einen stufen die Richterinnen und Richter Medienarbeit als "Schwerpunkt" der Compact-Magazin-GmbH ein. Das BMI hatte sein Verbot damit begründet, dass die Unternehmen verfassungsfeindliche Umsturz- und Netzwerkarbeit betrieben, die Medientätigkeit dabei nur ein Randaspekt sei. Außerdem hatte das Ministerium argumentiert, das Magazin – und damit die Pressefreiheit – werde nur als "Sprachrohr" missbraucht. Auf dieses Argument geht das Gericht in der Pressemitteilung nicht ein.

Auch melden die Richterinnen und Richter Zweifel an, ob das Totalverbot eines Mediums von heute auf morgen verhältnismäßig sein kann. So kämen als mildere Mittel zunächst Veranstaltungsverbote, Äußerungsverbote sowie Einschränkungen und Verbote von Versammlungen in Betracht. Auch medien- und presserechtliche Maßnahmen erwähnt die Mitteilung. Sind damit strafrechtliche gemeint? Das wirft Fragen auf, denn Vereinsverbote sind ja gerade bereits unterhalb der Schwelle strafrechtlicher Relevanz zulässig, wie § 3 Abs. 1 Vereinsgesetz zeigt. Was mit "medien- und presserechtlichen Maßnahmen" also genau gemeint sein soll, wird erst die Entscheidungsbegründung offenbaren.

Drittens haben die Richter Zweifel an den vom BMI vorgelegten Beweisen aus den Compact-Ausgaben. Sind die menschenwürdefeindlichen Aussagen, die auch bisweilen eine kämpferisch-aggressive Haltung erkennen ließen, am Ende prägend für das Medium?

Das BVerwG war erfreulich schnell

So oder so: Mit seinen Aussagen hat das BVerwG schon jetzt ein neues Prüfprogramm für Medienverbote skizziert. Die Hürden liegen denkbar hoch.

Dass das BVerwG in einer derart demokratierelevanten und breit diskutierten Frage wie nach einem Medienverbot so schnell entschieden hat, darf man auch als Leistung der rechtsstaatlichen Kontrolle durch die Judikative sehen – gerade weil das exekutive Verbot durch das BMI keine gerichtliche Vorabkontrolle vorsieht. Wenn die Exekutive in Zukunft gegenüber Medienunternehmen anstatt eines Totalverbots zunächst Einzelmaßnahmen erwägen muss, dann kommen auch die Gerichte mit ihrer Kontrollfunktion eher zum Zug.

Erstritten hat diese Grundsatzeilentscheidung ein rechtsextremes Magazin mit teils menschenfeindlichen Inhalten. Dass sein Chefredakteur Jürgen Elsässer am Mittwochabend sich per Videobotschaft "SIEG!!!!!" und mit Champagner nun als Widerstandsjournalist feiern kann, dafür hat das so konkret angestrengte Verbot der Innenministerin erst den Anlass geliefert. 

Zitiervorschlag

Compact-Verbot vorläufig ausgesetzt: . In: Legal Tribune Online, 14.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55212 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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