Legal-Tech-Plattformen dürfen Mietern zwar dabei helfen, ihre zu viel gezahlte Miete zurückzufordern. Den vereinbarten Mietzins zu senken, geht aber zu weit, meint das LG Berlin.
Wie weit ist der Begriff der Inkassodienstleistung auszulegen? Das Landgericht (LG) Berlin hat am Mittwoch entschieden, dass es nicht mehr von der eigenständigen Inkassolizenz gedeckt sei, wenn der Mieter eine Legal-Tech-Plattform damit beauftragt, neben einer Zahlungszurückforderung auch eine Mietreduzierung durchzusetzen (Urt. v. 29.04.2020, Az. 64 S 95/19).
In dem Rechtsstreit hatte ein Berliner Mieter seine Vermieterin unter anderem darauf verklagt, seine überhöhten Monatsmieten zurückzuzahlen und ihm seine vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, weil dies Miete gegen die Mietpreisbremse verstoßen habe. Als das Amtsgericht (AG) Charlottenburg seine Klage abwies, trat er seine Ansprüche an ein Legal-Tech-Unternehmen ab, das diese durchsetzen sollte.
Die eigentliche Bedeutung des Berliner Urteils liegt aber darin, dass die 64. Zivilkammer in dem Fall nicht von einer eigenständigen Inkassodienstleistung ausgeht, wie sie auch im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vorgesehen ist. Und zwar, weil der Mieter die Plattform darüber hinaus beauftragt hat, seine vereinbarte Miete herabzusetzen.
"Nichts anderes als die Abwehr einer ungerechtfertigten Mieterhöhung"
Bei der Urteilsbegründung betonte der Vorsitzende Richter zwar, dass die Kammer dem Urteil des BGH in Sachen Legal Tech folge. Dieser hatte den Begriff der Inkassotätigkeit weit ausgelegt, um neuen Berufsbildern nicht von vorne herein den Weg zu verstellen und den Bereich der Rechtsberufe und der freien Berufe zu entbürokratisieren und zu liberalisieren.
Allerdings gehe die Plattform zu weit, wenn sie nicht nur die zu viel gezahlte Miete für die Vergangenheit zurückfordere, sondern auch die vertraglich vereinbarte Miete für die Zukunft anpassen lassen will, so die 64. Kammer am Berliner Landgericht, bei dem unterschiedliche Kammern die Legal-Tech-Dienstleistungen in Sachen Mietpreisbremse seit längerem unterschiedlich beurteilen. Dies sei nichts anderes als die Abwehr einer ungerechtfertigten Mieterhöhung, die auch nach der Gesetzesauslegung des BGH nicht mehr als Inkassodienstleistung im Sinne des RDG begriffen werden könne, entschieden die Berliner Richter.
In der Konsequenz heißt das, dass das Legal-Tech-Unternehmen auch keine Vergütung für seine Tätigkeit nach dem RVG beanspruchen kann – bei dem Berliner Mieter die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von ungefähr 534 Euro. Aus Sicht der Berliner Zivilkammer müsste der Gesetzgeber das RDG konkretisieren und klarstellen, ob auch solche weiter gehenden Tätigkeiten noch als zulässige Inkassodienstleistungen bewertet werden sollen. Das LG hat auch die Revision zum BGH zugelassen.
mgö/LTO-Redaktion
LG Berlin zu Legal-Tech-Unternehmen: . In: Legal Tribune Online, 29.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41464 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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