Rückforderung von Dividenden und Steuerzahlungen?: Jaffé will Wire­card-Bilanzen für nichtig erklären lassen

16.12.2021

Die Wirecard-Pleite zieht eine Welle von Zivilprozessen nach sich. Der Insolvenzverwalter will zwei Jahresbilanzen des Unternehmens annullieren lassen. Das könnte unerfreuliche Folgen für Aktionäre und Fiskus mit sich bringen.

Im Wirecard-Skandal hat das Münchener Landgericht I (LG) an diesem Donnerstag eine Klage (Az. 5 HK O 15710/20) von großer Bedeutung für Aktionäre und Finanzbehörden verhandelt: Insolvenzverwalter Michael Jaffé will die mutmaßlich gefälschten Bilanzen des Unternehmens der Jahre 2017 und 2018 für nichtig erklären lassen. Das Testat für beide Bilanzen stammt von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Der Anwalt will darüber hinaus die Beschlüsse der Hauptversammlungen anfechten, auf denen die Aktionäre die Dividendenzahlungen für diese beiden Jahre abgesegnet hatten.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung hat die 5. Kammer für Handelssachen unter dem Vorsitz von Richter Helmut Krenek den Termin für eine Verkündung auf den 5. Mai 2022 festgelegt. An diesem Tag muss es nicht zwangsläufig zur Verlautbarung eines Urteils kommen, denkbar sei nach Angaben des Gerichts auch eine umfangreichere Beweisaufnahme.

Der Konzern war 2020 nach dem Eingeständnis von Scheinbuchungen in Milliardenhöhe zusammengebrochen, der frühere Vorstandschef Markus Braun sitzt seit fast eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Wirecard hatte 2017 und 2018 hohe Gewinne von zusammen über 600 Millionen Euro ausgewiesen und einen zweistelligen Millionenbetrag an Dividenden ausgeschüttet. Nach den Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft gab es diese Gewinne tatsächlich gar nicht. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Wirecard-Vorstand Banken und Investoren um etwa drei Milliarden Euro betrogen hat.

Sollte das LG der Klage des Insolvenzverwalters stattgeben, könnte das die Grundlage für die Rückforderung sowohl der Dividenden als auch der von Wirecard gezahlten Steuern sein, denn Unternehmenssteuern bemessen sich zu einem Großteil an Umsätzen und Gewinnen.

Besonders bitter wären eine Rückforderung für die Aktionäre, die immense Verluste erlitten haben. 2018 war die Wirecard-Aktie zeitweise mehr als 200 Euro wert, mittlerweile weniger als einen halben Cent. Gleichzeitig haben Wirecard-Aktionäre im Insolvenzverfahren wegen ihrer Kursverluste Forderungen in Höhe von mehr als zwölf Milliarden Euro angemeldet.

sts/LTO-Redaktion

mit Material der dpa

Der Artikel wurde nach Vorliegen neuer Informationen zum Verlauf der mündlichen Verhandlung am 16.12.2021 um 13.50 Uhr aktualisiert.

Beteiligte Kanzleien

Zitiervorschlag

Rückforderung von Dividenden und Steuerzahlungen?: . In: Legal Tribune Online, 16.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46960 (abgerufen am: 13.11.2024 )

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