Am Mittwoch hat die erste Gläubigerversammlung des insolventen Wirecard-Konzerns stattgefunden. Im Münchener Löwenbräukeller sind zwar nur 74 Teilnehmende erschienen, sie vertreten aber mehrere tausend Gläubiger.
Nach dem Zusammenbruch des Skandalkonzerns Wirecard haben gut 11.500 Gläubiger des insolventen Zahlungsdienstleisters Forderungen in Höhe von über 12 Milliarden Euro angemeldet. Das teilte das Amtsgericht (AG) München am Mittwoch nach der ersten Gläubigerversammlung mit. Damit übersteigen die angemeldeten Forderungen die bisher erzielten Erlöse bei der Abwicklung des Konzerns erwartungsgemäß um ein Vielfaches. Die hohe Summe von gut 12,4 Milliarden Euro erklärt sich daraus, dass neben geschädigten Banken, Investoren und Geschäftspartnern auch viele Aktionäre Schadenersatzforderungen angemeldet haben.
Banken und Investoren haben nach Berechnungen der Münchner Staatsanwaltschaft mehr als drei Milliarden Euro verloren. Nach Angaben aus Finanzkreisen hat Insolvenzverwalter Michael Jaffé bislang mit dem Verkauf von Unternehmensteilen und Technologie etwa eine halbe Milliarde Euro erlöst. Weitere Verkäufe sind geplant, doch es gilt als ausgeschlossen, dass der Insolvenzverwalter die verlorenen Milliarden komplett zurückholt.
Persönlich erschienen zu der Versammlung im Münchner Löwenbräukeller lediglich 74 Teilnehmer, darunter Anwälte, die die Ansprüche tausender Gläubiger vertreten. Das Amtsgericht hat insgesamt sieben Gläubigerversammlungen einberufen, die zwei Tage dauern sollen. Neben der Muttergesellschaft Wirecard AG sind auch sechs Tochtergesellschaften insolvent, für jede Gesellschaft ist eine eigene Gläubigerversammlung angesetzt.
Auch Aktionäre wollen Geld zurück
Neben Banken und Investoren haben auch viele Aktionäre des insolventen Zahlungsdienstleisters Forderungen angemeldet. Das teilten Anwälte sowie die Anlegervereinigung DSW am Mittwoch mit. Die Aktionäre und ihre Anwälte hoffen, dass ihnen der Insolvenzverwalter zumindest einen Teil der verlorenen Milliarden in absehbarer Zeit erstattet: "Ich habe Verfahren erlebt mit 14, mit 18, sogar mit 20 Jahren", sagte der Münchner Rechtsanwalt Peter Mattil, der geschädigte Aktionäre vertritt. "Aber wenn ein Vermögen da ist, das auf die Gläubiger verteilt werden kann, das kann schon nach zwei oder drei Jahren passieren."
Die Hauptfrage der Gläubiger: Mit wie viel Geld können sie rechnen? "Wir werden Milliarden an Forderungen haben, und die Quote kann man heute schwer einschätzen", sagte Mattil dazu.
Denn neben den Verlusten der kreditgebenden Banken und Investoren, Lieferanten und anderer Geschäftspartner stehen die ungleich höheren Kursverluste der Wirecard-Aktie: Das Unternehmen war bei der Aufnahme in den Dax im September 2018 an der Frankfurter Börse mehr als 23 Milliarden Euro wert, nach der Insolvenz und dem Kurssturz waren es dann weniger als 100 Millionen. Das hat neben institutionellen Anlegern auch sehr viele Kleinaktionäre getroffen.
Aktionäre sind zwar keine Gläubiger, sondern Gesellschafter eines Unternehmens und gehen daher bei Insolvenzverfahren häufig leer aus. Wenn es sich jedoch wie bei Wirecard um einen großen Betrugsfall handelt, können Aktionäre ihre Schadenersatzforderungen beim Insolvenzverwalter anmelden, wie ein DSW-Sprecher sagte. Doch auch die DSW betont, dass eine Prognose zur Höhe der möglichen Rückzahlungen nicht möglich sei.
dpa/ah/LTO-Redaktion
Erste Gläubigerversammlung: . In: Legal Tribune Online, 18.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43468 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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