Dieselgate und politische Befangenheit: SZA-Anwalt Har­b­arth im Inter­es­sens­kon­f­likt?

von Dr. Anja Hall

27.11.2015

Stephan Harbarth, Bundestagsabgeordneter und Anwalt bei SZA Schilling Zutt & Anschütz, ist im Zusammenhang mit der VW-Abgasaffäre unter Beschuss geraten. Die Opposition wirft ihm Befangenheit vor, weil seine Kanzlei von VW mandatiert wurde.

Dr. Stephan Harbarth ist nicht nur Partner bei SZA Schilling Zutt & Anschütz in Mannheim, sondern auch Obmann der CDU im Rechts- und Verbraucher-Ausschuss des Bundestages. Da von der VW-Abgasaffäre auch deutsche Verbraucher betroffen sind, hatte auf der Tagesordnung der Ausschusssitzung vom 11. November der Punkt "Bericht der Bundesregierung zu den verbraucherrechtlichen Auswirkungen und den zivilrechtlichen Ansprüchen des aktuellen VW-Skandals" gestanden.

Allerdings beantragte eine Vertreterin der Union, den Tagesordnungspunkt abzusetzen. Die Abgeordneten der Koalition nahmen das Thema VW daraufhin von der Tagesordnung – unter anderem stimmte auch Harbarth diesem Antrag zu.

Lammert sieht keine Befangenheit

Das brachte die Opposition auf den Plan, denn SZA ist von Volkswagen im Zusammenhang mit der Abgasaffäre mandatiert worden. Die Grünen protestierten dagegen, dass Harbarth an der Abstimmung teilgenommen hat, und Rechtspolitiker der Linken baten den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) um eine Prüfung, wie sichergestellt werden könne, dass Abgeordnete in derartigen Fällen künftig nicht mehr an Abstimmungen teilnähmen.

Lammert sagte in seiner Antwort, aus der die Süddeutsche Zeitung zitiert, es gebe "nach geltendem Recht keine zwingenden Gründe für einen Ausschluss von Stimmrechten eines Abgeordneten bei Entscheidungen des Bundestages, die diesen selbst begünstigen können." Gegen eine Befangenheitsregelung spreche "insbesondere, dass bei der Behandlung allgemeiner Gesetze stets eine Betroffenheit (fast) aller Abgeordneten vorliegen kann".

SZA spielt nur Nebenrolle

Dr. Stephan Harbarth*Ohnehin spielt Harbarths Kanzlei SZA nicht die Hauptrolle in der VW-Abgasaffäre. Nach unbestätigten Recherchen des Branchenmagazins Juve hat der Automobilkonzern ein großes, rechtsgebietsüberfassendes Team von Freshfields Bruckhaus Deringer für die Aufarbeitung der Affäre außerhalb der USA mandatiert. Für strafrechtliche Fragen wurde White & Case hinzugezogen. Jones Day führt die internen Ermittlungen durch, während SZA mit der Abwehr möglicher kapitalmarktrechtlicher Ansprüche betraut ist.

In einer Stellungnahme weist Harbarth die Vorwürfe von sich: "Es steht fest, dass ich mich einwandfrei verhalten habe. Auch Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert hat mir heute bestätigt, dass er keine Grundlage für eine weitere Prüfung gem. §6 der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages sieht", schreibt er.

Kampagne gegen Nebenverdienste?

Seiner Ansicht nach habe die von den Grünen und den Linken gestartete "Medienkampagne" nur das Ziel, gegen beruflich ausserhalb der Politik verankerte Abgeordnete Stimmung zu machen, weil diese nicht dem von den Grünen favorisierten "Abgeordnetentypus" entsprächen. "Diesem grünen Abgeordnetentypus will und werde ich mich nicht anpassen: Für mich bleibt mein berufliches Standbein auch künftig das Fundament meiner politischen Unabhängigkeit", so Harbarth.

Harbarth gilt als einer der Top-Verdiener im deutschen Bundestag: Im Bundestagshandbuch weist er für seine anwaltliche Tätigkeit Nebeneinkünfte der höchsten Kategorie aus. In diese "Stufe 10" fallen Einkünfte von mehr als 250.000 Euro jährlich.

*Bild: Dr. Stephan Harbarth, Mitglied des Deutschen Bundestages / Laurence Chaperon, CC BY 3.0, Quelle: Wikimedia, Zuschnitt & Skalierung durch LTO

Beteiligte Kanzleien

Quelle: ah/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Anja Hall, Dieselgate und politische Befangenheit: . In: Legal Tribune Online, 27.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17691 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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