Die Rechtsanwälte von der Berliner Kanzlei MMR haben zusammen mit vielen anderen Betroffenen Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung erhoben – noch am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes.
Am heutigen Freitag, den 18. Dezember 2015, ist das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in Kraft getreten. Am selben Tag hat die Berliner Kanzlei MMR Müller Müller Rößner Rechtsanwälte Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erhoben, teilten die Rechtsanwälte Carl Christian Müller und Sören Rößner gegenüber LTO mit.
"Den erneuten Versuch der Einführung einer Vorratsdatenspeicherung sehen wir als einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die grundrechtlich geschützten Kommunikationsfreiheiten aller Bürger, von dem die Berufsgeheimnisträger und deren Mandanten, Patienten, Informanten und Kommunikationspartner in besonderem Maße betroffen sind", so Christian Müller anlässlich der der Erhebung der Verfassungsbeschwerde.
Bereits am 6. November 2015, unmittelbar nachdem der entsprechende Gesetzentwurf den Bundesrat passiert hatte, hatte die Kanzlei beim BVerfG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung gestellt. Mit diesem wollen die Anwälte erreichen, dass die mit Inkrafttreten des Gesetzes unmittelbar bestehende Speicherverpflichtung der Telekommunikationsanbieter bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ausgesetzt wird.
Berufsgeheimnisträger in besonderem Maße betroffen
Sowohl den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch die Verfassungsbeschwerde hätten daher alle Rechtsanwälte der Kanzlei in eigenem Namen und aus eigener Rechtsbetroffenheit als Berufsgeheimnisträger eingereicht.
Dieser Initiative hätten sich darüber hinaus der Deutsche Medienverband (DMV) e.V. sowie der DJV Deutsche Journalisten-Verband, Landesverband Berlin-Brandenburg e.V. angeschlossen. Darüber hinaus trete eine Reihe von Journalisten sowie u.a. auch die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner, die medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ist und vormals als Journalistin beim ZDF tätig war, als Antragsteller und Beschwerdeführer auf.
Daneben hätten sich dem Antrag neun Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses aus verschiedenen Fraktionen angeschlossen. Einige von ihnen seien ebenfalls als Rechtsanwälte tätig und insofern auch als Berufsgeheimnisträger von der Vorratsdatenspeicherung betroffen. Aber auch ihre Rechte als Abgeordnete sähen sie verletzt.
Zudem habe sich auch ein Kinderarzt der Verfassungsbeschwerde angeschlossen, der sich in dieser Eigenschaft als Berufsgeheimnisträger ebenso in seinen Kommunikationsfreiheiten berührt sehe.
Antragsteller: Vorgaben von EuGH- und BVerfG nicht gewahrt
"Wir sind der Auffassung, dass dieser mit der anlasslosen, zusammenhanglosen und ausnahmslosen Speicherverpflichtung einhergehende schwerwiegende Eingriff mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu einer verhältnismäßig ausgestalteten Vorratsdatenspeicherung nicht vereinbar ist," erläutert der Berliner Anwalt Rößner die eingereichte Verfassungsbeschwerde.
Bereits im Jahr 2010 war ein erstes Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vom BVerfG für nichtig erklärt worden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hob die europäische Richtlinie, die dem Gesetz zugrunde lag, im Jahr 2014 auf. Mit dem neuen Gesetz sollen die Vorgaben beider Urteile berücksichtigt werden.
Rößners Ansicht nach ist das dem Gesetzgeber nicht gelungen: Die vom BVerfG geforderte Überwachungsgesamtrechnung gehe nicht auf. Seit Bekanntwerden der uferlosen Speicher- und Überwachungspraktiken der Geheimdienste durch die Enthüllungen von Edward Snowden und angesichts zusätzlicher Datenspeicherungsvorhaben wie beispielsweise der Fluggastdatenverordnung sei der gesetzgeberische Handlungsspielraum in Richtung weiterer Datensammlungen auf Null reduziert.
Auch die Vorgaben des EuGH sieht er nicht ausreichend beachtet: Die gesetzlichen Regelungen verstießen insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Berufsgeheimnisträgern gegen die europäischen Grundrechte.
"Wir sehen die Verfassungsbeschwerde in der Tradition der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Kommunikationsfreiheiten." Dieses habe stets betont, dass diese Freiheiten schlechthin konstituierend für eine demokratische Grundordnung seien und dass der Datenschutz hiermit korrespondiere. "Vor diesem Hintergrund kann die Vorratsdatenspeicherung keinen Bestand haben", so Müller.
ahe/LTO-Redaktion
Rechtsanwalt Carl Christian Müller, LL.M
Rechtsanwalt Sören Rößner, LL.M.
von der Kanzlei MMR, Berlin
Vorratsdatenspeicherung tritt in Kraft: . In: Legal Tribune Online, 18.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17922 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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