Say on Pay: Wenn Aktio­näre die Ver­gü­tung der Vor­stände bestimmen

Gastbeitrag von Dr. Thomas Gennert

01.08.2018

Auf Hauptversammlungen entscheiden Aktionäre schon jetzt über die Vergütung ihrer Vorstände. Eine 2019 umzusetzende EU-Richtlinie könnte das zur Regel machen. Was auf börsennotierte Gesellschaften zukommen könnte, erklärt Thomas Gennert.

Bei den personalistisch verfassten Gesellschaftsformen wie den Personalgesellschaften und der GmbH sind es die Gesellschafter als wirtschaftliche Eigentümer, die grundsätzlich selbst darüber, wie ihre Geschäftsführung vergütet wird. Deshalb gibt es hier auch wenig Regulierungsbedarf.

Bei der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft ist die Grundkonzeption eine andere: Neben dem Vorstand als geschäftsführendes Organ existiert der Aufsichtsrat als das Organ, das die Geschäftsführung des Vorstands überwacht. In diesem sog. dualistischen System ist der Aufsichtsrat auch für die Bestellung der Vorstandsmitglieder zuständig und schließt mit ihnen Anstellungsverträge, die auch die Vergütung regeln.

Die Personalhoheit über den Vorstand liegt damit ausschließlich beim Aufsichtsrat, also nicht bei der durch die Aktionäre gebildeten Hauptversammlung. Die Aktionäre sind zwar wirtschaftliche Eigentümer der Aktiengesellschaft, können aber bis auf wenige Ausnahmen weder direkten Einfluss auf die Geschäftsführung des Vorstands nehmen noch über dessen Besetzung und die Vergütung seiner Mitglieder entscheiden.

Als die Vorstandsvergütung reguliert wurde

Nach der Finanzkrise im Jahr 2008 sah sich der Gesetzgeber veranlasst, regulierend einzugreifen. Mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) wurden 2009 u.a. verschiedene Regelungen zum Thema Vorstandsvergütung in das Aktiengesetz (AktG) integriert, die der Aufsichtsrat beim Abschluss von Anstellungsverträgen zu beachten hat.

So müssen Vergütungspakete des Vorstandsmitglieds insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zu ihren Aufgaben und Leistungen sowie zur Lage der Gesellschaft stehen. Zudem dürfen sie die (branchen- und unternehmens-) übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen. Börsennotierte Gesellschaften müssen die Vergütungsstruktur zudem auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung ausrichten.

Weitergehende Vorgaben enthält der Deutsche Corporate Governance Kodex. Börsennotierte Gesellschaften müssen erklären, ob sie ihn befolgen oder, falls nicht, warum nicht (comply or explain).

Die Regulierung: Worüber die Aktionäre entscheiden

Mit dem VorstAG wurde auch eine Möglichkeit der Hauptversammlung geschaffen, sich mit dem Vergütungssystem für den Vorstand zu beschäftigen. Dieses sog. Say on pay ist inzwischen insbesondere im angelsächsischen Rechtsraum anzutreffen.

Gem. § 120 Abs. 4 AktG kann die Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft über die Billigung des Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder beschließen. Anders als diese Regelung auf den ersten Blick suggerieren mag, wurde hierdurch aber mitnichten in die oben dargestellte Kompetenzordnung eingegriffen. Die Entscheidung über die Vergütung des Vorstands liegt weiterhin nicht in den Händen der Aktionäre.

Zum einen ist die Entscheidung über die Billigung des Systems zur Vergütung nicht zwingend; sie wird grundsätzlich nur dann durchgeführt, wenn Vorstand und Aufsichtsrat sie auf die Tagesordnung für die Hauptversammlung setzen. Daneben meint die Billigung des "Systems der Vergütung" nur eine Billigung abstrakter Vergütungselemente wie beispielsweise das Verhältnis bestimmter Elemente variabler Vergütung zur Festvergütung, nicht aber die Entscheidung über die konkrete Höhe der Einkommens eines einzelnen Vorstandsmitglieds.

Schließlich begründet der Beschluss gem. § 120 Abs. 4, S. 2 AktG weder Rechte noch Pflichten, d.h. selbst wenn die Aktionäre eine solche aussprechen, kann der Aufsichtsrat eine Missbilligung des Vergütungssystems schlicht ignorieren. Umgekehrt befreit ihn eine Billigung des Vergütungssystems aber auch nicht von seinen Pflichten für deren Festsetzung. Einen festen Turnus für die Entscheidung der Hauptversammlung sieht das AktG ebenfalls nicht vor.

In der Hauptversammlungssaison 2017 wurde bei acht der 30 DAX-Mitglieder über die Billigung des Systems der Vorstandsvergütung entschieden. In drei Fällen (Merck, Münchener Rück und ProSiebenSat.1) verweigerten die Aktionäre die Billigung. Bei der Deutschen Bank war das Vergütungssystem noch 2016 durchgefallen, im Jahr 2017 wurde es aber durchgewunken, nachdem der Aufsichtsrat zwischenzeitlich nachgebessert hatte. Dies zeigt, dass Aktionäre die Vergütungspakete ihrer Vorstände keinesfalls leichtfertig abnicken. Insbesondere der Einfluss von institutionellen Investoren und Stimmrechtsberatern lässt erwarten, dass derartige Beschlussgegenstände auch zukünftig "heiß" bleiben.

Mehr Rechte für Aktionäre: Die Vorstandsvergütung kommt in die Hauptversammlung

Mit der EU-Richtlinie 2017/828 vom 17. Mai 2017 zur Änderung der sog. Aktionärsrechterichtlinie (Richtlinie 2007/36/EG) müssen die Mitgliedstaaten nun bis zum 10. Juni 2019 bestimmte weitere Vorgaben in Bezug auf die Vergütung des Vorstands der börsennotierten Aktiengesellschaft umsetzen.

Unter anderem enthält die Richtlinie auch eine Verschärfung zum Thema Say on Pay: Die Aktionäre sollen zukünftig das Recht haben, über die Vergütungspolitik des Vorstands in der Hauptversammlung vorab zu entscheiden. Die Vergütung des Vorstands wird zukünftig also zu den regulären Beschlussgegenständen einer ordentlichen Hauptversammlung gehören. Zudem ist der Begriff der  "Vergütungspolitik" deutlich weiter gefasst als eine abstrakte Beschreibung des "Vergütungssystems". Als Turnus gibt die Richtlinie 4 Jahre vor, soweit nicht vorher wesentliche Änderungen der Vergütungspolitik eintreten.

Bei den Rechtsfolgen eröffnet die Richtlinie den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht, ob die Entscheidung der Hauptversammlung lediglich empfehlenden oder bindenden Charakter haben soll. Auch für die Variante des lediglich empfehlenden Charakters ist aber vorgesehen, dass die Hauptversammlung im Falle einer Ablehnung im nächsten Jahr über eine überarbeitete Vergütungspolitik zu entscheiden hat.

Aktionäre sollten nur empfehlen können

Der deutsche Gesetzgeber sollte bei der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht die Variante mit dem empfehlenden Charakter des Aktionärsvotums wählen.

Andernfalls würde ein Teil der Personalhoheit vom Aufsichtsrat hin zur Hauptversammlung verlagert. Das würde jedenfalls zu einem Systembruch der hergebrachten Konzeption des Aktienrechts führen.

Die Verbindlichkeit der Hauptversammlungsentscheidung ist auch deswegen nicht zwingend, weil mit dem deutschen dualistischen System, anders als bei dem in anderen Mitgliedstaaten und im angelsächsischen Raum üblichen Board-System mit monistischer Verfassung, der Aufsichtsrat als Kontrollinstanz fungiert. Daneben muss sich der Gesetzgeber auch die Frage stellen, wie eine Verbindlichkeit der Entscheidung individualrechtlich gegenüber dem einzelnen Vorstandsmitglied durchgesetzt werden soll. Eine Art Öffnungsklausel im Anstellungsvertrag im Hinblick auf die Entscheidung(en) der Hauptversammlung ist vertragsrechtlich nur schwer vorstellbar.

Aber auch in der minimal-invasiven Variante werden die oben dargestellten Verschärfungen umzusetzen sein. Wir werden zukünftig des Öfteren Auseinandersetzungen zur Vorstandsvergütung auf den Hauptversammlungen erleben können. So oder so, der Gesetzentwurf zur Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben (u.a.) zum Say on Pay wird jedenfalls mit Spannung erwartet.

Der Autor Dr. Thomas Gennert ist Fachanwalt für Arbeitsrecht im Düsseldorfer Büro von McDermott Will & Emery Rechtsanwälte und Steuerberater LLP und Mitglied der deutschen Praxisgruppe Arbeitsrecht.

Zitiervorschlag

Say on Pay: . In: Legal Tribune Online, 01.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30097 (abgerufen am: 15.11.2024 )

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