Der Gesetzgeber will gegen Fake-Bewertungen vorgehen. Online-Portale sollen zu mehr Transparenz verpflichtet werden. Anna-Kristine Wipper und Marie-Valentine Goffin hinterfragen die praktische Relevanz der UWG-Novelle.
Falsche Bewertungen auf Online-Marktplätzen und anderen Websites sind dem Gesetzgeber ein Dorn im Auge. Eine Überarbeitung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) will die Betreiber der Portale verpflichten, künftig entweder die Echtheit der Bewertungen zu überprüfen oder darauf hinzuweisen, dass keine Überprüfung stattfindet. Es ist allerdings fraglich, ob die angestrebten Ziele - mehr Transparenz und besserer Verbraucherschutz - mit den Anpassungen erreicht werden können.
Mit der am 28. Mai 2022 in Kraft getretenen UWG-Novelle kommen neue Transparenzpflichten auf Unternehmerinnen und Unternehmer zu. Neben den Regelungen zur Transparenz von Kundenbewertungen gemäß § 5b Abs. 3 UWG n.F., werden auch das Influencer-Marketing, Rankings von Produkten in Online Shops sowie Varianten von Waren in anderen EU-Mitgliedstaaten mit den Änderungen adressiert. Das UWG soll damit dem Wandel der Zeit und der fortschreitenden Digitalisierung gerecht werden. Durch die Novelle wird die Europäische Richtlinie zur Modernisierung des Verbraucherschutzrechts (EU 2019/2161) umgesetzt.
§ 5b Abs. 3 UWG n.F. beinhaltet Neuerungen zu Kundenbewertungen. Verbraucherinnen und Verbraucher treffen Ihre Kaufentscheidung zunehmend aufgrund von Bewertungen anderer Kunden, die die gleichen Waren oder Dienstleistungen bezogen haben. Auf Online-Marktplätzen nehmen sogenannte Fake-Bewertungen deshalb immer mehr zu. Manche Anbieter kaufen Bewertungen von Dritten ein oder geben sogar selbst positive Bewertungen für ihre eigenen Waren oder negative Bewertungen für Waren der Konkurrenz ab.
Nicht selten wird eine Gegenleistung für eine positive Bewertung versprochen. So werden dem Bewertenden Vergünstigungen beim nächsten Einkauf gewährt oder Produkttester erhalten die Ware unentgeltlich. Der Umstand, dass der Bewertende eine Gegenleistung erhält, wird sich in den meisten Fällen auf die Objektivität der Bewertung auswirken. Es entsteht ein verzerrtes Bild der Güte der bewerteten Ware oder Dienstleistung. Problematisch ist dabei, dass die Verbraucherin oder der Verbraucher beim Lesen der Bewertung nicht weiß, von wem sie stammt und was deren Hintergrund ist. Viele Verbraucher gehen grundsätzlich von einer neutralen Bewertung aus und verlassen sich auf deren Objektivität und Echtheit.
Zielsetzung: Erhöhte Transparenz
Mit der Neuregelung soll mehr Transparenz geschaffen werden. Verbraucher sollen sich bei der Kaufentscheidung auf die Echtheit der Bewertung verlassen können und ein neutrales Bild der abgegebenen Bewertungen erhalten. Unternehmer handeln unlauter, wenn sie gemäß § 5a UWG n.F. wesentliche Informationen vorenthalten. § 5b Abs. 3 UWG n.F. regelt nun, dass Verbraucherbewertungen wesentliche Informationen sind und legt dem Unternehmer eine Transparenzpflicht auf:
"Macht ein Unternehmer Bewertungen zugänglich, die Verbraucher im Hinblick auf Waren und Dienstleistungen vorgenommen haben, so gelten als wesentlich Informationen darüber, ob und wie der Unternehmer sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben."
Bisher wurde die Problematik der Fake-Bewertungen direkt über § 5a UWG a.F. gelöst. Die Gerichte nahmen eine Irreführung durch Unterlassen für den Fall an, dass derjenige, der die Bewertung abgibt, eine Gegenleistung erhielt. Zusätzliche Voraussetzung für den Wettbewerbsverstoß war bisher, dass der Unternehmer auf seiner Bewertungsseite nicht darauf hinweist, dass es sich um eine Bewertung handelt, für die eine Gegenleistung erbracht wurde (vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2020, 87 – Gekaufte Kundenbewertungen).
Unternehmerische Pflichten
Die neue Regelung bedeutet für die Praxis, dass der Unternehmer, der die Bewertungen zugänglich macht, den Verbraucher darüber informieren muss, von wem die Bewertung stammt. Das heißt, er muss entweder die Bewertungen prüfen oder einen Hinweis anbringen, dass keine Überprüfung der Echtheit der Bewertungen stattgefunden hat. Entscheidet er sich dafür, einen Mechanismus zur Prüfung zu implementierten, muss er vor der Veröffentlichung prüfen, ob die Bewertung von einem Verbraucher stammt, der die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich nutzt oder erworben hat.
Des Weiteren obliegt es dem Anbietenden, die Maßnahme bzw. den Mechanismus für den Verbraucher näher zu erläutern. Er muss beispielsweise angeben, welche Prozesse und Verfahren er zur Überprüfung der Echtheit ergriffen hat. Zudem müssen Informationen dazu bereitgestellt werden, wie mit Bewertungen im Rahmen des Prüfprozesses umgegangen wird: Nach welchen Kriterien werden die Bewertungen aussortiert? Werden alle Bewertungen, positiv wie negativ, veröffentlicht?
Der Regierungsentwurf zur UWG-Novelle vom 20. Januar 2021 gibt Beispiele für einen möglichen Umgang mit den Bewertungen. Der Unternehmer könnte beispielsweise nur solche Bewertungen veröffentlichen, bei denen er geprüft hat, dass der Bewertende die betreffenden Waren oder Dienstleistungen auch über seine Plattform erworben hat und den Verbraucher entsprechend informieren. Kein Zugänglichmachen der Bewertungen im Sinne des § 5b Abs. 3 UWG ist das einfache Verlinken einer Bewertungsseite, die von einem Dritten betrieben wird. In diesem Fall trifft die Transparenzpflicht den Unternehmer nicht.
Die Pflicht des Unternehmers geht in bestimmten Fällen durch die ebenfalls neue Nr. 23b des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG n.F. sogar noch weiter als in § 5b Abs. 3 UWG n.F.: "die Behauptung, dass Bewertungen einer Ware oder Dienstleistung von solchen Verbrauchern stammen, die diese Ware oder Dienstleistung tatsächlich erworben oder genutzt haben, ohne dass angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen zur Überprüfung ergriffen wurden, ob die Bewertungen tatsächlich von solchen Verbrauchern stammen."
Der Regierungsentwurf besagt dazu, dass lediglich die Behauptung ohne entsprechende Überprüfung unlauter ist. Unterlässt der Unternehmer eine entsprechende Behauptung, besteht auch hier keine Pflicht zur Überprüfung von Verbraucherbewertungen. In diesem Fall muss der Unternehmer zusätzlich behaupten, dass es sich um eine echte Bewertung handelt.
Einordnung und Ausblick
Der deutsche Gesetzgeber hat die EU-Richtlinie 2019/2161 umgesetzt, allerdings bleiben einige Fragen offen, die durch die Rechtsprechung zu klären sein werden. Tatsächliche Änderungen der Rechtslage im Vergleich zur bisherigen Rechtsprechungspraxis sind nicht zu erkennen. Der § 5b Abs. 3 UWG n.F. bezieht sich allein auf Verbraucher und deren Bewertungen. Es bleibt unklar, was im B2B-Geschäft gelten soll.
Dies erweist sich insbesondere dann als problematisch, wenn die Bewertung nicht von einem Verbraucher, sondern von einem Unternehmer selbst stammt. Entfällt in diesem Fall die Transparenzpflicht des Unternehmers? Und wie wird das Unternehmen prüfen, ob es sich um eine Verbraucher- oder Unternehmerbewertung handelt? Im Zweifel wird es für den Unternehmer am leichtesten sein, einen Hinweis zu geben, dass überhaupt keine Überprüfung der Echtheit der Bewertungen stattgefunden hat. Wenn sich diese Praxis durchsetzt, wird die Novelle nicht den erhofften Mehrwert für Verbraucher im Hinblick auf Transparenz und Schutz vor Fake-Bewertungen bringen.
Es bleibt also abzuwarten, wie Unternehmer die neue Regelung zukünftig umsetzen werden. Im Sinne des Verbraucherschutzes und der neuen Regelung wäre es empfehlenswert, wenn Unternehmer die Bewertungen prüfen und über die Echtheit Auskunft geben. Die Kunden werden es ihnen danken.
Dr. Anna-Kristine Wipper ist Partnerin bei KPMG Law, sie leitet die Praxisgruppe IP-Recht. Marie-Valentine Goffin ist Senior Associate bei KPMG Law und berät im IP-Recht.
UWG-Novelle bringt neue Transparenzpflichten: . In: Legal Tribune Online, 01.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48615 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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