Viele Anwälte können nur schwer Nein sagen, wenn sie von ihrem Chef neue Mandate übertragen bekommen. Dabei wäre ein Nein oft wichtig, um sich vor Überlastung zu schützen. Wie man freundlich, aber bestimmt Aufgaben ablehnt, erklärt Carmen Schön.
Im Gegensatz zu anderen Kulturkreisen sind wir in Deutschland sehr klar darin, Nein zu sagen. Eigentlich. Und doch fällt es auch bei uns vielen Menschen schwer, eine Aufgabe, die ihnen angetragen wird, klipp und klar abzulehnen.
Häufig benutzen wir sogenannte Weichmacher wie "dürfte" oder "könnte", wenn wir etwas nicht erledigen wollen, aber sollen. Wir denken dann, dass der Andere unsere Ablehnung schon von alleine spürt: So deutlich müssen wir es ihm doch gar nicht sagen, dass wir die Aufgabe nicht haben wollen. Allerdings ist das ein Trugschluss: Dem Gegenüber kann nicht klar werden, dass wir etwas nicht wollen, wenn wir uns nicht klar ausdrücken. Die Botschaft muss beim Empfänger ankommen – das ist eine Grundregel der Kommunikation. Warum aber scheuen sich so viele von uns vor einem eindeutigen Nein?
Türchen offenhalten
Ein wichtiger Grund ist, dass wir uns innerlich selbst oft gar nicht so klar in der Ablehnung sind und uns mit unserer Uneindeutigkeit ein Türchen offenhalten wollen. Denn ein Nein wird eine Reaktion nach sich ziehen – und die ist vielleicht unerwünscht.
Ein Beispiel: Ein Associate will in der Kanzlei Karriere machen, aber die Verantwortlichen sehen ihn perspektivisch nicht in der Partnerschaft. Nun könnten sie dazu tendieren, in ihren Aussagen schwammig zu werden. Denn geben sie dem Associate klar zu verstehen, dass er nicht Partner werden wird, riskieren sie, dass er kündigt und anderswo Karriere macht.
Ähnliches gilt, wenn ein Anwalt sagt, dass er eine bestimmte Art von Mandaten nicht mehr bearbeiten und sich inhaltlich umorientieren will. Auch in solchen Fällen scheuen sich die Personalverantwortlichen oft vor einem klaren Nein. Denn im Ergebnis hätte das vielleicht zur Folge, dass der Anwalt – folgt er nun tatsächlich seiner Neigung –nicht mehr in die strategische Ausrichtung der Kanzlei passt und man sich von ihm trennen muss.
Niemanden verletzen
Ein zweiter Aspekt, warum wir ungern Nein sagen, ist, dass wir Angst davor haben den anderen vor den Kopf zu stoßen. Allerdings: Wenn wir unser Nein gut formulieren, wird das nicht passieren. Am besten gehen wir dabei nach dem Harvard-Prinzip vor: weich zum Menschen, klar in der Sache. Es hilft auch, die klassischen Feedback-Regeln anzuwenden und die Situation aus der Ich-Position zu beschreiben. Unbedingt vermeiden sollten wir, dem Gegenüber Vorwürfe zu machen.
Wenn wir beispielsweise ein Mandat ablehnen wollen, weil unsere Kapazitätsgrenze erreicht, dann sollten wir dem Partner nicht einfach sagen: "Das mache ich nicht!" Das ist zu schroff und klingt nach Arbeitsverweigerung.
Zu weich in der Sache wäre dagegen, wenn wir sagen "Ich versuche mein Bestes, vielleicht kriege ich es hin". Die Akte wird unweigerlich auf unserem Schreibtisch landen. Der Partner kann unsere Aussage nicht als Ablehnung erkennen – und letztlich ist es ihm auch egal, ob ich die Nacht durcharbeite.
"Danke, aber …"
Eine gute Antwort wäre: "Danke, dass sie mir das zutrauen, der Fall klingt sehr interessant. Aktuell ist mein Schreibtisch aber voll, ich müsste andere Akten abgeben, wenn ich das übernehmen soll. Wären Sie damit einverstanden?" Im besten Fall erklärt sich der Partner damit einverstanden. Sie bekommen zwar die Akte, können aber andere Arbeit abgeben.
Vermutlich wird die andere Seite unsere Ablehnung aber nicht sofort akzeptieren. Deshalb ist es wichtig, dass wir beim Nein bleiben und das auch aushalten. Ein häufiges Argument ist, dass die anderen auch viel zu tun haben. Das mag sein, aber eine schlechte Ressourcenplanung ist nicht das Problem des Associates - sondern das des Chefs.
Warum ist es wichtig, nein sagen zu können?
Betrachten Sie das Nein als Sorge um Ihre Gesundheit und um Ihre Arbeitsfähigkeit. Ein Nein muss der Kanzlei oder Ihrem Vorgesetzten nicht gefallen. Aber letztlich hilft es auch Ihrem Arbeitgeber nicht weiter, wenn Sie demotiviert oder gar krank werden und Ihre Leistung nicht voll erbringen können.
Besonders schwierig ist das Nein sagen, wenn man schon seit einigen Jahren in der Ja-Sager-Rolle steckt. Wer jetzt plötzlich anfängt, Arbeit abzulehnen, vollzieht einen Wandel, den die Kollegen und der Vorgesetzte womöglich zunächst nicht akzeptieren werden. Der Partner wird insistieren, und es wird sehr schwierig werden, beim Nein zu bleiben. Oft ist es leichter, an einer neuen Arbeitsstelle von Anfang an sich klar abzugrenzen.
Was tun im konkreten Fall?
Wenn Sie eine neue Aufgabe angetragen bekommen, dann halten Sie kurz inne und betrachten Sie die Situation von oben: Wie ist Ihr Arbeitspensum im Moment? Wie sieht Ihr Kalender aus? Können sie den Job annehmen oder haben sie zu viel zu tun?
Wenn Sie sich für ein Nein entscheiden, halten sie die Konsequenzen auch aus. Knicken Sie nicht ein.
Benutzen Sie keine Weichmacher-Floskeln, sagen Sie nicht: "Ich schau mal, vielleicht schaffe ich es". Seien Sie klar in Ihrer Ablehnung. Bleiben Sie dabei aber unbedingt weich zu Ihrem Gegenüber und kommunizieren sie respektvoll. Dann stoßen Sie auch niemanden vor den Kopf.
Die Volljuristin und ehemalige Rechtsabteilungsleiterin Carmen Schön berät und coacht Juristen, Führungskräfte und Anwaltskanzleien zu Themen wie Geschäftsaufbau, Führung, Auftritt und Wirkung.
Überlastung im Anwaltsberuf: . In: Legal Tribune Online, 05.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36889 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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