2/3: Ideen finden - und nicht kritisieren
Bei "ideate", also der Ideenfindung, geht erst einmal darum, möglichst viele Ideen zu finden. Erst danach werden diese kritisiert und die besten von ihnen ausgewählt. Stichwort bei den Design Thinkern aus Stanford an dieser Stelle: "rather going wide than focusing".
Dies ist das vielleicht für Juristen untypischste Verhalten: Denn der klassische Jurist ist sehr gut darin, sofort die Negativseiten einer Idee zu sehen und diese erst gar nicht weiterzuverfolgen. Das machen Start-ups, auch im Legal Sector, eindeutig anders.
Methoden zum Ideeneinsammeln gibt es unzählige: von 635, SCAMPER, Mindmapping, Walt-Disney bis hin zum klassischen Brainstorming. Letzteres rangiert eher weiter hinten in der Beliebtheitsskala, vor allem, weil es zu schnell in die Bewertung und Kritik geht.
Feedback sammeln, Kritik annehmen
Es geht bei all diesen Kreativmethoden um einen strukturierten Kreativprozess, nicht um ein lockeres Ideensammeln. Die größte Herausforderung ist die, alte Ideen und Produkte loszuwerden und am Ende die neuen Einfälle richtig zu gewichten.
Der vierte Schritt im Design thinking ist d das sogenannte Prototyping. Die favorisierten Ideen werden in einer Art Probeprodukt gebaut, um sie am potenziellen Kunden und Markt zu testen.
Dann geht das Unternehmen zurück oder auch erstmals an den Markt und zum Kunden. Es sammelt dort Feedback ein, korrigiert ggf. das Erstprodukt, verwirft oder macht weiter. Diese Testphase – "Test" deshalb auch der fünfte und letzte Schritt im Design Thinking Prozess- unterscheidet Legal Start-ups fundamental von einem typischen juristischen Dienstleister. Ein Anwalt würde sich nur ungerne von seinem Kunden, dem Mandanten sagen lassen, dass sein Produkt "Beratungsleistung" nicht, noch nicht oder so nicht funktioniert.
Die Design Thinker akzeptieren Kritik als wichtigen Bestandteil des Entwicklungsprozesses. Sie haben keine Angst, etwas falsch zu machen. Sie sind eher daran interessiert, schnelle und marktgerechte Ergebnisse zu erzielen, als etwas wirklich zu perfektionieren. Sie folgen klaren Entwicklungsschritten - und bleiben trotzdem immer flexibel. Notfalls heißt es nach dem ersten Prototyping auch wieder: zurück an die Kreativwand.
Nutzerorientierung, flache Hierarchien, interdisziplinäre Teams
Das ist es, was Anwälte und Kanzleien sich von den neuen Playern abschauen können – und sollten: das Nutzerverhalten genauestens zu beobachten. Dies bestätigt auch Maximilian Block vom Gründerteam von advocado: "Wir gehen zum Rechtsproblem und der jeweiligen Mandantengruppe hin, beobachten permanent das Nutzerverhalten. Denn der digitale Nutzer ist ein anderer als der klassische Mandant von früher." Es ist diese Prämisse, welche advocado dazu brachte, neben einer Software für die Mandatsbearbeitung mit "Advocado Expert" auch einen Marktplatz anzubieten für Anwaltssuche und –vermittlung, unter anderem auch per App.
Die Legal-Start-up-Gründer haben zudem vielen traditionellen Rechtsmarktteilnehmern einen selbstverständlichen Umgang mit Digitalisierung voraus. Sie kommen aus der Generation der Digital Natives und viele haben eine interdisziplinäre Komponente in ihrer Vita. Einige sind nicht nur Juristen, sondern auch IT-Entwickler oder haben Qualifikationen bzw. Talente im Bereich Vertrieb. So manchen Anwälten fehlt dazu bekanntlich immer noch nicht erst die Qualifikation, sondern schon die Bereitschaft.
Außerdem haben die jungen Unternehmen flache Strukturen. Flache Hierarchien befähigen sie dazu, auf Marktbedürfnisse zielgenau und schnell zu reagieren. Dabei messen sie auch kreativen Ideen eine Bedeutung bei, die vielleicht nicht von den Gründern selbst kommen.
Claudia Bonacker, Innovation richtig machen: . In: Legal Tribune Online, 21.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17937 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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