Start-Ups haben eigene Strategien für Innovation. Sie setzen auf Agilität, Flexibilität und schnelle Markteintritte. Was können Kanzleien von ihnen lernen? Und wo wäre kooperieren besser als kopieren?
In der Start-up-Szene gab es schon immer den Ansatz des Nike-Werbespruchs "just do it". Im Mittelpunkt aller Innovationsmethoden der Jungunternehmer steht die Ermittlung der exakten Bedürfnisse des Kunden. Gemeinsam ist dem "Design Thinking", dem "Lean Start-up" und anderen Verfahren neben der Analyse der Kundenbedürfnisse auch eine genaue Marktbeobachtung und ein schnelles Umsetzen erster Produktideen. Diese werden unmittelbar am Markt und am potenziellen Kunden erprobt und getestet.
Der derzeit am meisten gehypte Ansatz ist das Design Thinking. Vielleicht erfreut sich der schon seit Anfang der 90er Jahre bekannte Trend noch immer so großer Beliebtheit, weil es dem Selbstverständnis der Start-ups entspricht, sich von allem Vorhersehbaren, Maschinellen abzuwenden. Das Design Thinking stellt konsequent den Kundenwunsch an den Anfang und ins Zentrum der Innovation - sogar dann, wenn der Kunde seinen Wunsch selbst noch gar nicht kennt.
Was braucht der Kunde in seinem Workflow?
Die Methode ist durch Ergebnisoffenheit gekennzeichnet. Die menschliche Ausrichtung ist ebenso entscheidend wie die Akzeptanz von Sprüngen und auch Rückschlägen bei der Entwicklung.
Auch unter den Innovatoren, die den Rechtsmarkt aufmischen, haben manche eine qualifizierte Ausbildung an universitären Instituten gemacht, andere haben sich die Strategien angelesen oder angelernt.
Einer von denen, die Design Thinking von der Pike auf gelernt haben, ist Felix Rackwitz, Gründer von Tools4legal, einer Legal App, die in Rechtsabteilungen Effizienz steigern und Kosten reduzieren soll. Entscheidend, so Rackwitz, sei bei der Entwicklung des Tools gewesen, nicht in "legal work flows", also juristischen Abläufen gedacht zu haben, sondern vielmehr vom tatsächlichen Workflow her, dem in der Praxis des Mandanten.
Design Thinking: Verstehen, lernen, kreieren
Der Prozess beginnt mit dem "Empathize" genannten Schritt. Das Problem muss verstanden werden: Was ist die Aufgabenstellung oder der Auftrag für die Innovation? Warum sollte man überhaupt innovativ sein? Wer ist die Zielgruppe der Neuerung? Worin will man innovativ sein? Alle erdenklichen Informationen werden gesammelt, alle Quellen studiert.
Im zweiten Schritt heißt es: Define, d.h. die Situation muss erfasst und beobachtet werden. Kundeninterviews werden geführt, der Markt wird genau beobachtet. Die von dem Holländer Gijs van Wulfen entwickelte Innovationsmethode "the forth-innovation" nennt diesen Schritt "Observe and Learn". Es geht nicht nur darum, den Markt ganz genau anzusehen, sondern auch darum, an den Kunden und seine Bedürfnisse möglichst nah heranzukommen. Mit welchen Nöten haben die potenziellen Kunden zu kämpfen, welche Ideen sind möglicherweise erfolgversprechend? Der Kunde ist König.
Den Kundennutzen zu verstehen reicht aber noch nicht aus. Im zweiten Schritt soll die Problemstellung quasi als Synthese definiert werden. Die Design Thinker nennen das "point of view" oder kurz den POV, der fokussiert die spezifischen Kundenbedürfnisse zusammenfasst. Dieser POV lenkt alle weiteren Innovationsschritte, er ist Inspiration und Referenz für die Ideenfindung. Diese Herangehensweise des Austauschs mit Markt und Kunden hat sich in der Technologieszene mittlerweile allgemein durchgesetzt: Innovation nicht mehr als Einbahnstraße zu verfolgen, sondern vielmehr wie einen Schweizer Käse - luftig und durchlässig, in alle Richtungen denkend. Deshalb spricht man auch von "Open Innovation".
Claudia Bonacker, Innovation richtig machen: . In: Legal Tribune Online, 21.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17937 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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