LTO investigativ: Start-up erfindet Tinder für Anwälte

Eine Satire von Dr. Anja Hall

26.10.2015

Das Legal-Tech-Start-up Finder hat eine App entwickelt, mit der sich Anwälte und Mandanten vernetzen und Mandate vergeben können. LTO investigativ spricht mit den beiden Gründern und fragt einen der ersten Nutzer nach seinen Erfahrungen.

"Zwei Drittel meiner Neumandantinnen in diesem Monat habe ich über Finder bekommen", sagt der Familienrechtler und lehnt sich lächelnd in seinem Bürostuhl zurück. Er ist einer der ersten Nutzer von "Finder" und vollends begeistert von der Handy-App. Seinen Namen möchte er allerdings lieber nicht bei LTO lesen, denn ein wenig anrüchig scheint ihm diese neue App dann doch zu sein.

"Finder" wurde von dem gleichnamigen Legal-Tech-Start-up entwickelt und funktioniert ähnlich - der Name legt es nahe – wie die Dating-App "Tinder": Menschen, die Rechtsrat suchen, legen fest, in welchem Bereich sie einen Anwalt benötigen, sei es beim Streit mit dem Vermieter, Krach mit der Versicherung, ein Verkehrsunfall oder ein familienrechtliches Thema. Der Anwalt wiederum gibt in seinem Profil seine Beratungsschwerpunkte und Spezialisierungen an.

Chat nach "Mandats-Match"

Dem potenziellen Mandanten werden Anwaltsprofile zugespielt, die zu seinen Suchvorgaben passen. Er wischt diejenigen Profile nach links, die ihm nicht zusagen, und diejenigen nach rechts, die ihm gefallen. Gibt es ein "Mandats-Match", dann dürfen beide über einen geschützten Server in Kontakt treten und ein Treffen verabreden.

Einen gewichtigen Unterschied zu "Tinder" gibt es bei "Finder" jedoch: Der Anwalt selbst kann sich nicht durch die Riege der potenziellen Mandanten wischen und die aussuchen, die ihm am besten gefallen. Wie die Erfinder der Software sagen, habe man das Feature ganz bewusst nicht eingebaut. "Wir sind von der Annahme ausgegangen, dass der Anwalt ohnehin alle Mandanten will, die er kriegen kann. Insofern hielten wir diese Funktion für verzichtbar", sagt einer der beiden Start-up-Gründer.

Hinter Finder steht ein Private-Equity-Fonds

Auch die beiden Jungunternehmer ziehen es vor, anonym zu bleiben. Der Grund: Ihr Start-up wurde vor kurzem von einem Private-Equity-Fonds aufgekauft, zu dessen Geldgebern die Partner mehrerer großer Wirtschaftskanzleien gehören. Die "Finder"-Gründer mussten strenge Verschwiegenheitsklauseln unterschreiben. "Die Anwälte wollen mit ihrem Engagement im Bereich Legal-Tech derzeit nicht nach außen treten", erklären die Unternehmer. "In Interviews behaupten sie nämlich immer, das Thema Digitalisierung im Anwaltsberuf sei völlig überbewertet und es sei nicht nötig, sich damit zu auseinanderzusetzen."

"Finder" indes scheint ein Erfolgsmodell zu sein. Im Stundentakt wird die App im App-Store oder bei Google Play heruntergeladen. "Sie ist ja auch praktisch", findet der Familienrechtler. "Wenn ich in der Bahn sitze oder mich abends auf dem Sofa beim Fernsehen langweile, dann schaue ich mal bei Finder, ob es ein Mandats-Match gibt." Früher habe er mit großer Begeisterung getwittert und damit auch hin und wieder neue Mandanten akquiriert: "Aber mal ehrlich, Twitter ist doch sowas von 2010."

Stellungnahme der BRAK steht noch aus

Die Anwaltskammern tun sich schwer mit einer Bewertung der App, eine Stellungnahme der BRAK zu "Finder" lässt noch auf sich warten. Berufsrechtler kritisieren besonders, dass die Auswahl des Anwalts vor allem über das Profilbild erfolgt und nicht über dessen Qualifikation.

Man sei sich bewusst, dass man sich damit dem Vorwurf der Oberflächlichkeit aussetze, räumen die "Finder"-Gründer ein. In den ersten Versionen der Software habe man die Fotos der Anwälte noch weggelassen und stattdessen Bilder des Kanzlei-Türschilds in die Profile eingefügt. Aber die Testnutzer auf Mandantenseite hätten sich unwohl damit gefühlt und in Befragungen mehrfach angegeben, dass man so "ja gleich Die Gelben Seiten durchblättern" könne und es "keinen erkennbaren Mehrwert" der App gebe. "Nachdem wir recherchiert hatten, was Die Gelben Seiten überhaupt sind, haben wir uns für die Verwendung von Bildern der Anwälte entschieden", sagt einer der beiden Gründer.

Dass er möglicherweise nur wegen seines Aussehens und nicht wegen seiner Qualifikation mandatiert wird, stört den Familienrechtler nicht. Er werde sich auf keine Neid-Debatte einlassen, sondern lieber die Chancen ergreifen, die sich durch "Finder" bieten. Dass sich der Frauenanteil unter seinen Mandanten erheblich erhöht hat, seit er auf der App aktiv ist, gefällt ihm. "Ist doch schön, wenn es matcht", sagt er und lächelt.

Zitiervorschlag

Anja Hall, LTO investigativ: . In: Legal Tribune Online, 26.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17324 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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