Der zähe Rechtsstreit zwischen dem Arzneimittelhersteller Dr. August Wolff und der EU-Kommission um Zulassungsbeschränkungen eines Medikaments hat ein Ende gefunden – weil der Beschluss der Kommission einen Rechtsfehler hatte, so der EuGH.
Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist dem Ausschuss für Humanarzneimittel bei der Erstellung eines Gutachtens zur Sicherheit des umstrittenen Medikaments ein Rechtsfehler unterlaufen: Die Unparteilichkeit der Hauptberichterstatterin konnte nicht gewährleistet werden. Der EuGH hat deshalb den Beschluss der EU-Kommission, der auf dem Gutachten basierte und die Zulassung des Arzneimittels sehr stark eingeschränkt hatte, aufgehoben und für nichtig erklärt (Urt. v. 27.03.2019; Az. C-680/16 P).
Bei dem Produkt handelt es sich um Linoladiol N, ein verschreibungspflichtiges Medikament, mit dem Frauen mit Wechseljahrsbeschwerden behandelt werden. Nach der Erstzulassung 1978 in Deutschland versagte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Nachzulassung im Jahr 2005. Dagegen klagte die Zulassungsinhaberin Dr. August Wolff, vertreten durch Peter Klappich von Oppenhoff & Partner, zunächst vor dem Verwaltungsgericht Köln. Dieses wies die Klage ab. Das Urteil wurde durch das Oberverwaltungsgericht Münster aufgehoben und dem Medikament wurde im März 2013 eine Nachzulassung erteilt.
Auf Antrag des BfArM beschloss die Europäische Kommission im August 2014 jedoch unter anderem gravierende Einschränkungen der Zulassung. Dagegen klagte der Hersteller beim Europäischen Gericht (EuG). Er begründete das unter anderem damit, dass ein dem Beschluss zugrunde liegendes Gutachten nicht objektiv erstellt worden sei: Die Hauptberichterstatterin habe in doppelter Funktion gehandelt, da sie auch Mitarbeiterin des BfArM war – und damit derjenigen Behörde, die das Überprüfungsverfahren um Linoladiol N vor dem Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) eingeleitet und die Zulassung ursprünglich nicht verlängert hatte. Das EuG wies die Klage im Oktober 2016 ab.
Mit der Berufung zum EuGH hatte Dr. August Wolff jedoch Erfolg: Mit der Bestellung der BfArM-Mitarbeiterin zur Hauptberichterstatterin sei der in Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Grundsatz der sorgfältigen und unparteiischen Prüfung verletzt worden, entschied der EuGH. Er hob deshalb das Urteil des EuG auf und erklärte den Beschluss der EU-Kommission für nichtig. Der Ausschuss für Humanarzneimittel hätte berücksichtigen müssen, dass es das BfArM abgelehnt hatte, die Zulassung zu verlängern und dass eine Klage gegen diese Ablehnung vor deutschen Gerichten anhängig war - was dem Ausschuss bekannt war. Unbeteiligte Dritte konnte daher annehmen, dass das BfArM die von ihm auf nationaler Ebene vertretenen Interessen weiterverfolgt und dass das Verhalten der BfArM-Mitarbeiterin parteiisch sein könnte.
ah/LTO-Redaktion
Oppenhoff & Partner für Dr. August Wolff GmbH & Co. KG Arzneimittel:
Peter Klappich, Partner, Köln
Dr. Corinna Schmidt-Murra
Oppenhoff & Partner: . In: Legal Tribune Online, 24.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35019 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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