Zwei Getränkeproduzenten zanken sich um die Auslegung eines Vertrages zu den Markenrechten am Mischgetränk "Spezi". Constantin Rehaag und Carsten Goldstein erläutern die Hintergründe zu dem Verfahren, bei dem es um Millionen geht.
Vor der auf das Markenrecht spezialisierten 33. Zivilkammer des Landgerichts München I streitet sich die weltbekannte Paulaner Brauerei aus München mit der Brauerei Riegele aus Augsburg (Az. 33 O 10784/21). Am kommenden Dienstag soll das Urteil verkündet werden. Anders als die Anwesenheit der beiden Brauereien im Gerichtsaal es vermuten ließ, geht es sich bei diesem Rechtsstreit nicht um ein Bier, sondern um das Kultgetränk "Spezi", eine Mischung aus Cola und Orangenlimonade.
Die Ausgangssituation
Die Augsburger Brauerei rühmt sich damit, das Getränk erfunden zu haben und hält bereits seit dem Jahr 1956 die Markenrechte an dem Begriff Spezi. Zum damaligen Zeitpunkt ist unter der Marke Spezi jedoch noch Bier gebraut und vertrieben worden. Dieser Umstand erklärt auch, dass die im Jahr 1956 angemeldete Marke zunächst nur für Bier eingetragen ist. Das änderte sich jedoch noch im gleichen Jahr, indem eine Spezi-Marke auch für alkoholfreie Getränke angemeldet wurde. Für das Jahr 1972 weist das Register des Deutschen Patent- und Markenamtes schließlich eine Eintragung für alkoholfreie, kolahaltige Mixgetränke aus.
Riegele war jedoch nicht die einzige Brauerei, die das beliebte Mischgetränk herstellte und vertrieb. Aufgrund des durchschlagenden Erfolgs ihres kolahaltigen Mixgetränks konnte die Brauerei die Nachfrage nach ihrer Spezi nicht alleine bedienen und gründete im Jahr 1977 den Spezi Markengetränke Verband e. V. Dieser Verein ist heute noch aktiv und regelt sämtliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit der beliebten Limonade. Unter den Lizenzen des Vereins dürfen auch andere Getränkehersteller offiziell Spezi abfüllen und verkaufen.
Eine andere Brauerei, die ebenfalls ein Produkt mit dem Namen Spezi im Sortiment hat und hierfür (bisher) keine Lizenzgebühren bezahlt, ist die Paulaner Brauerei aus München. Diese möchte ihr Limonaden-Mischgetränk auch weiterhin unter der Bezeichnung "Paulaner Spezi" vertreiben, ohne jedoch dafür Lizenzgebühren nach Augsburg überweisen zu müssen. Dies möchte die Brauerei Riegele nun ändern.
Es geht um sehr viel Geld
Der Streitwert liegt bei 10 Millionen Euro. Die Paulaner-Salvator Thomasbräu, deren Rechtsnachfolgerin die heutige Paulaner Brauerei ist, hat mit der Riegele Brauerei bereits im Jahr 1974 und damit drei Jahre vor der Gründung des Spezi Markengetränke Verband e. V. eine Vereinbarung getroffen, nach der die Münchner ihre eigene Spezi, allerdings unter dem Namen Paulaner Spezi und mit einem eigenen Logo, herstellen und vertreiben können.
Die Parteien hatten sich damals auf eine einmalige Zahlung in Höhe von 10.000,00 DM geeinigt. Angesichts des großen Erfolges des Getränks erscheint die damalige Summe heute lächerlich gering, wie Riegele-Seniorchef Sebastian Priller, der die Brauerei mit seinem Sohn Sebastian leitet, zitiert wird. Aus diesem Grund hat die Brauerei Riegele die damalige Vereinbarung im letzten Jahr gekündigt und besteht nun auf den Abschluss eines neuen Lizenzvertrages zu angepassten Konditionen. Die Brauerei Paulaner hingegen will festgestellt wissen, dass sie ihr Cola-Limo-Mischgetränk auch in Zukunft als Paulaner Spezi bezeichnen darf.
Die Entscheidung ist für beide Parteien von hoher wirtschaftlicher Bedeutung. Lizenzgebühren in Höhe von rund 5 Millionen Euro stehen im Raum - pro Jahr versteht sich.
Abgrenzungsvereinbarung vs. Lizenzvertrag
Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei der vertraglichen Einigung aus dem Jahr 1974 um eine unkündbare Abgrenzungsvereinbarung oder einen kündbaren Lizenzvertrag handelt. Diese Frage bildet den Kern des Rechtsstreits und die Entscheidung des Landgerichts dürfte allein davon abhängen, welche Art von Vertrag es als im Jahr 1974 geschlossen ansieht.
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Vertragstypen sind gravierend. Bei einer markenrechtlichen Abgrenzungsvereinbarung handelt es sich um einen Vertrag zwischen zwei Markeninhabern, in dem eine dauerhafte, friedliche Koexistenz zweier Marken untereinander erreicht werden soll. Eine Abgrenzungsvereinbarung bietet sich insbesondere in den Fällen an, in denen eine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Marken vorliegt, wenn also eine Markenverletzung im Raum steht. Verschiedene Gründe können die Inhaber der widerstreitenden Marken dazu bewegen, einander im Markt zu tolerieren und eine solche Vereinbarung zu unterzeichnen. Vom mangelnden wirtschaftlichen Interesse an einer gerichtlichen Auseinandersetzung bis hin zu Zweifeln an der eigenen Rechtsposition sind hier viele Konstellationen relevant. Wichtig: Ist in einer Abgrenzungsvereinbarung kein ordentliches Kündigungsrecht vereinbart, so gilt sie grundsätzlich zeitlich unbeschränkt.
Eine Markenlizenzvereinbarung hingegen ist ein Vertrag zwischen einem Markeninhaber als Lizenzgeber auf der einen und einem Dritten als Lizenznehmer auf der anderen Seite. Der Lizenznehmer möchte die Marke des Lizenzgebers nutzen. Im Rahmen des Lizenzvertrages werden schließlich die Bestimmungen vereinbart, nach denen der Lizenznehmer die Marke des Lizenzgebers nutzen darf. Dies erfolgt in der Regel durch die Zahlung einer aus Sicht der Parteien angemessenen Lizenzgebühr. Anders als Abgrenzungsvereinbarungen sind Lizenzverträge regelmäßig zeitlich befristet und sehen ordentliche Kündigungsrechte vor.
Spezi als Gattungsbegriff?
Neben der Frage nach dem Vertragstyp könnte zur Lösung des Rechtsstreits auch die Frage erörtert werden, ob es sich bei Spezi nicht um einen Gattungsbegriff handelt. Der Begriff Spezi hat sich immerhin im deutschen Sprachgebrauch als Synonym für ein Mischgetränk von Cola und Orangenlimonade etabliert. Aufgrund der weitreichenden Kenntnis der Verbraucher, was unter Spezi zu verstehen ist, könnte der Begriff als Gattungsbegriff eingeordnet werden und die Marke Spezi damit ihre Unterscheidungskraft und ihren Charakter als schutzfähige Marke verlieren.
Gemäß §§ 49 Abs. 2 Nr. 1, 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG verlieren nämlich solche Zeichen ihre Eigenschaft als geschützte Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen oder ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen üblich geworden sind. Dann dürfte jeder sein Spezi produzieren. Der Begriff wäre nicht länger geschützt. Dieses Schicksal hat beispielsweise die Marke "Wedges“ für die Ware Kartoffelspalten ereilt (LG München I, Urt. v. 09.05.2001, Az. HKO 12/01).
Für die Annahme, dass eine Marke sich zu einer Gattungsbezeichnung gewandelt hat, gelten jedoch sehr hohe Anforderungen. Nur wenn ein nur noch völlig unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in dem Zeichen einen Herkunftshinweis sieht, kann angenommen werden, dass eine Marke sich zu einem nicht mehr schutzfähigen Gattungsbegriff gewandelt hat. Das dürfte bei Spezi jedoch (noch) nicht der Fall sein, zumal ähnliche Rezepturen unter anderen Namen wie z.B. "Mezzo Mix" erhältlich sind. Vor allem dürfte aber die Paulaner Brauerei kein Interesse daran haben, dass der Begriff Spezi seinen Markenschutz verliert. Schließlich soll nicht jeder Getränkeproduzent sein eigenes Mischgetränk auf den Markt bringen und es Spezi nennen dürfen.
Die Entscheidung
Die Richter des Landgerichts schienen in der ersten mündlichen Verhandlung dazu zu neigen, der Rechtsansicht der Paulaner Brauerei aus München zu folgen. Sie tendieren dazu, die Vereinbarung aus dem Jahr 1974 als Abgrenzungsvereinbarung und nicht als Lizenzvertrag einzuordnen. Der Inhalt der damaligen Vereinbarung sei insoweit eindeutig gewesen. Aus diesem Grund gebe es auch rechtliche Probleme mit der Kündbarkeit der Vereinbarung durch die Brauerei Riegele.
Das Landgericht hat den Verkündungstermin auf den 30. August 2022 festgelegt. Bisher ist keine außergerichtliche Einigung zwischen den Parteien bekannt geworden. Es bleibt daher spannend, wie sich das Landgericht entscheidet und schließlich, ob sich die Paulaner Brauerei in München sehr viel Geld sparen kann.
Dr. Constantin Rehaag, M.A. ist Partner der globalen Wirtschafts- und Anwaltskanzlei Dentons in Frankfurt und Co-Leiter der Praxisgruppe IP/T in Europa und Deutschland.
Dr. Carsten Goldstein ist Associate im Team von Dr. Rehaag.
Urteilsverkündung zu Markenrechten steht bevor: . In: Legal Tribune Online, 27.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49446 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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