LTO investigativ: Weih­nachts­post legt Wirt­schafts­kanzlei lahm

Eine Glosse von Dr. Anja Hall

24.12.2015

Haben Sie sich eigentlich einmal überlegt, wie viele Billable Hours in Ihrer Kanzlei verbrannt werden, nur weil im Dezember alle Anwälte lieber Weihnachtskarten schreiben statt Mandanten zu beraten? LTO investigativ deckt auf.

Was viele nicht ahnen: Das Thema "Weihnachtskarten" beschäftigt eine Kanzlei schon ab Mitte Mai. Dann nämlich stößt die vorausschauende Kommunikationsabteilung das Projekt "Motivfindung" an. Sie stellt eine Vorauswahl an weihnachtlichen Kartenmotiven zusammen – Schneemänner? Weihnachtsbäume? Christbaumkugeln? – und legt diese der Partnerversammlung zur Abstimmung vor.

Die allerdings lehnt es über die Sommermonate rundweg ab, sich damit zu beschäftigen, denn in dieser Zeit stehen üblicherweise die kanzleistrategisch wirklich wichtigen Weichenstellungen an. Etwa die Auswahl der Location für die Sommerfeier, oder die Frage, ob man die Band vom Vorjahr wieder verpflichten sollte.

Tagesordnungspunkt Motivauswahl

Am ersten Advent jedoch heißt es handeln, und es wird eilig eine außerordentliche Partnerschaftsversammlung mit dem einzigen Tagesordnungspunkt "Weihnachtskarte: Motivauswahl" anberaumt. Am Ende der dreistündigen, hitzigen Debatte folgt das traditionelle Glühweintrinken aller Partner auf dem Weihnachtsmarkt. Was allerdings für das Projekt "Motivauswahl" einen herben Rückschlag bedeutet: Am Tag danach haben alle ganz fürchterliche Kopfschmerzen, und es erinnert sich leider keiner der Anwesenden mehr, für welches Motiv man sich denn nun entschieden hat.

Deshalb folgt eine finale Abstimmungsrunde per Email, die dank intensiven Gebrauchs der "Allen antworten"-Funktion den Kanzlei-Server in die Knie und die IT-Abteilung zu einer Extraschicht zwingt.

Die nächste Herausforderung, die es nun zu meistern gilt, ist die Frage: Wie schaffen wir es, allen unseren Kontakten zu schreiben und die Karten auch rechtzeitig vor Weihnachten zu versenden? Nicht wenige Anwälte scheitern daran, was allerdings niemandem auffällt, denn – geben wir es offen zu – kein Mensch vermisst eine Weihnachtskarte, von der er ohnehin nicht wusste, dass er sie bekommt. Insofern hat sich die Praxis bewährt, Weihnachtspost, die nicht rechtzeitig fertig wird, auf Wiedervorlage für Weihnachten 2016 zu legen.

Konkurrenz schädigen

Wer es jedoch gewohnt ist, mit Leverage zu arbeiten, delegiert das Kartenschreiben einfach an seine Praktikanten und Referendare. Beliebt ist auch, aus Gründen der Zeitersparnis nur das Kürzel unter den vorgedruckten Text der Karte zu setzen oder in krakeliger, kaum entzifferbarer Schnellschrift ein "freue mich auf ein Wiedersehen im neuen Jahr" anzufügen.

Das ist im Übrigen ein besonders kluger Schachzug, wenn diese Karten an Anwälte des Wettbewerbers geschickt werden. Die Empfänger versuchen verzweifelt die Schrift zu entziffern, grübeln lange, wer sich denn so gerne mit ihnen treffen will, blättern stundenlag durch ihre Visitenkarten-Kartei – und bleiben am Ende doch ratlos zurück. So verbrennen Sie nicht ihre eigenen wertvollen Arbeitsstunden, sondern diejenigen der Konkurrenz.

Zitiervorschlag

Anja Hall, LTO investigativ: . In: Legal Tribune Online, 24.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17965 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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