Prozessauftakt zu Cum-Ex am LG Wiesbaden: Hanno Berger fehlt

von Tanja Podolski und Dr. Anja Hall

25.03.2021

Niemand hat erwartet, dass der Steueranwalt Hanno Berger zum Prozessauftakt am LG Wiesbaden erscheint. Und so ist es auch: Das Verfahren gegen ihn wegen der Cum-Ex-Geschäfte ist abgetrennt.

Gegen drei Männer sollte am heutigen Donnerstag der Prozess zur strafrechtlichen Aufarbeitung von Cum-Ex-Aktiendeals am Landgericht (LG) Wiesbaden beginnen (Az. 6 KLs - 1111 Js 27125/12). Einer davon ist der Steueranwalt Hanno Berger, die anderen beiden waren Mitarbeiter der HVB. Berger aber lebt seit gut acht Jahren in einem kleinen Bergdorf in der Schweiz, gegen ihn liegt längst ein Haftbefehl vor. Dass er zum Prozess erscheinen würde, hat niemand erwartet. Und tatsächlich blieb er fern. 

Das Gericht hat in dieser Situation nur zwei Möglichkeiten: Den Prozess insgesamt auszusetzen oder das Verfahren gegen den nicht erschienenen Angeklagten abzutrennen und gegen die anderen Angeklagten zu verhandeln. Die Anwesenheit des Angeklagten ist einer der tragenden Grundsätze des deutschen Strafprozesses – er soll hören, was die Anklage ihm vorwirft, soll sich äußern können. Ausnahmen sind daher nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich (§§ 230, 276 Strafprozessordnung). 

Hanno Berger war am späten Donnerstagvormittag nicht anwesend. Gegen die beiden Kaufleute hat die Staatsanwaltschaft die Anklage verlesen, der Prozess gegen sie hat begonnen, das Verfahren gegen Hanno Berger ist damit abgetrennt.

Auslieferung aus der Schweiz?

Vor Ort war der Anwalt von Berger, Kai Andreas Schaffelhuber. Schaffelhuber, der heute in eigener Kanzlei in Luxemburg arbeitet, ist ein früherer Kollege von Berger aus gemeinsamen Zeiten bei der Kanzlei Dewey & LeBoef. "Eine Auslieferung nach Deutschland kommt nicht in Betracht", sagte Schaffelhuber der Deutschen Presse-Agentur. Dafür sei entscheidend, wie die Schweiz die Sachlage einschätze. In Wiesbaden sei Berger nicht erschienen, da er nicht ordnungsgemäß geladen worden sei. Sein Verteidiger Sebastian Gaßmann ergänzte, schon die Androhung von Zwangsmaßen verletze die Souveränität der Schweiz. Zudem sei Berger "hospitalisiert", sagte Gaßmann mit Blick auf Bergers Gesundheit.

Das sieht die Staatsanwaltschaft anders, und eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt scheint ihr Recht zu geben: Das Gericht wertet Cum-Ex-Aktiengeschäfte nicht nur als Steuerhinterziehung, sondern auch als gewerbsmäßigen Bandenbetrug, der mit Freiheitstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet wird (Beschl. vom 09.03.2021, Az. 2 Ws 132/20). Dies entschied der Senat ausgerechnet auf eine Haftbeschwerde Bergers - die damit wohl zum Eigentor wurde. Den Haftbefehl gegen ihn hatte das LG Wiesbaden am 26. Oktober 2020 erlassen (Az. 6 KLs 1111 Js 27125/12). 

Während die Schweiz nicht wegen Steuerdelikten ausliefert, wäre eine Auslieferung wegen Betrugs möglich. Denn die Schweiz hat zwar das Europäische Auslieferungsübereinkommen ratifiziert, wonach Auslieferungen wegen Delikten aus dem Kernstrafrecht erfolgen, nicht aber das zweite Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen, das die Auslieferung wegen Steuerdelikten regelt.

Dass sich Berger einen Tag nach einer Durchsuchung in die Schweiz begeben habe, habe man als Flucht gewertet, teilte das OLG mit. Es sei davon auszugehen, dass er aufgrund seiner beruflichen Ausbildung gewusst habe, dass er wegen eines Steuerdeliktes nicht ausgeliefert werden. Und damit, so ist aus Ermittlerkreisen zu vernehmen, wäre Berger erst mal nicht mehr in sein großes Haus in der Schweiz zurückgekehrt, wenn er denn am Donnerstag zum Prozess erschienen wäre. Diese Bewertung des OLG hätte dazu geführt, dass der Haftbefehl in Vollzug gesetzt worden wäre, heißt es aus Ermittlerkreisen. 

Sein Anwalt Schaffelhuber erklärte das Fehlen Bergers damit, dass dieser nicht ordnungsgemäß geladen worden sei. Wann der Prozess gegen Berger starten kann, ist ungewiss. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls hat, so ist zu vernehmen, "für eine Auslieferung aus der Schweiz alles erforderliche veranlasst". 

Prozessauftakt wurde mehrfach verschoben

Das Verfahren gegen Berger und die Mitangeklagten zieht sich schon seit einigen Jahren: Das Landgericht Wiesbaden hatte die Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt vom 27. September 2017 lange geprüft. Es war damals die bundesweit erste Anklage zu den Cum-Ex-Aktiengeschäften zu Lasten der Staatskasse, die seit Jahren bundesweit Ermittler beschäftigen. Das Hauptverfahren wurde mit Beschluss vom 10. Dezember 2019 eröffnet. Ursprünglich sollte der Prozess gegen Berger im vergangenen Oktober starten, er wurde aber wegen der Corona-Pandemie zunächst auf Januar 2021 und dann auf den 25. März verschoben. 

Der erste Cum-Ex-Strafprozess fand deshalb nicht in Wiesbaden, sondern am LG Bonn statt. Das Gericht wertete die Aktiendeals im März 2021 als Straftat, verhängte aber recht milde Strafen gegen die beiden Angeklagten, die umfassend ausgesagt hatten. Auch Steueranwalt Berger soll sich noch vor dem LG Bonn verantworten: Die 12. große Strafkammer hat die Anklage der Staatsanwaltschaft Köln wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung zur Hauptverhandlung zugelassen und im Januar das Hauptverfahren gegen ihn eröffnet (Az. 62 KLs 2/20). Berger soll einen Steuerschaden von 278 Millionen Euro verursacht haben.

Der Steuerrechtler Berger, ehemals deutscher Managing Partner der inzwischen insolventen Kanzlei Dewey & LeBoeuf, gilt als einer der Hauptakteure bei den Cum-Ex-Geschäften. Er soll das Geschäftsmodell für eine Reihe von Banken und Finanzdienstleistern entwickelt haben. Bevor Berger Mitte der 1990er Jahre zunächst bei Pünder Volhard Weber & Axster, einer Vorgängerkanzlei von Clifford Chance, Rechtsanwalt wurde, hat er viele Jahre in der hessischen Finanzverwaltung gearbeitet. Am Ende seiner Beamtentätigkeit war er Regierungsdirektor. 

Zitiervorschlag

Prozessauftakt zu Cum-Ex am LG Wiesbaden: . In: Legal Tribune Online, 25.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44589 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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