Ex-VW-Chef Martin Winterkorn muss sich nicht wegen Marktmanipulation im Dieselskandal verantworten. Das LG Braunschweig hat das Verfahren vorläufig eingestellt. Der Betrugsprozess gegen den Manager soll aber im Februar starten.
Wie das Landgericht (LG) Braunschweig am Freitag mitteilte, wird das Verfahren gegen Martin Winterkorn wegen des Verdachts der Marktmanipulation auf Antrag der Staatsanwaltschaft vorläufig eingestellt (Beschl. v. 14.01.2021, Az. 16 KLs 75/19). An dem ab Ende Februar geplanten Betrugsprozess gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen (VW) wegen erhöhter Diesel-Abgaswerte halte man aber fest.
Neben Winterkorn waren auch der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch und der Vorstandsvorsitzende Herbert Diess im September 2019 von der Braunschweiger Staatsanwaltschaft angeklagt worden. Die Ermittler warfen ihnen vor, Anleger zu spät über die finanziellen Risiken der Abgasaffäre ins Bild gesetzt zu haben. Nachdem die Manipulationen an Millionen Dieselmotoren im September 2015 öffentlich bekannt geworden waren, stürzte der VW-Aktienkurs zeitweise ab: Investoren sehen sich getäuscht und fordern in einem Zivilprozess Schadensersatz in Milliardenhöhe.
Im vergangenen Frühjahr war das Verfahren gegen Diess und Pötsch gegen eine Geldzahlung von jeweils 4,5 Millionen Euro durch VW an die niedersächsische Justiz beendet worden. Im Falle Winterkorns wurde das Hauptverfahren jedoch eröffnet.
Strafe würde nicht stark ins Gewicht fallen
Das LG Braunschweig begründet die Einstellung nun mit dem sogenannten NOx-Verfahren (Az. 6 KLs 23/19), in dem Winterkorn ebenfalls angeklagt ist. Allgemein kommt die Einstellung eines Strafverfahrens nach Erhebung der öffentlichen Anklage in Betracht, wenn die zu erwartende Strafe im Hinblick auf die Straferwartung wegen einer anderen Tat nicht beträchtlich ins Gewicht fällt.
Die Straferwartung im NOx-Verfahren sei deutlich höher als in dem Verfahren wegen Marktmanipulation nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), so das LG Braunschweig. Würde Winterkorn in beiden Verfahren verurteilt, müsste eine Gesamtstrafe gebildet werden. "Dabei würde die Verurteilung wegen der Marktmanipulation nicht zu einer wesentlichen Erhöhung der Gesamtstrafe führen", so die Richter. Im NOx-Verfahren, wo Winterkorn wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs angeklagt ist, liege der Strafrahmen hingegen zwischen einem Jahr und zehn Jahren, während der Straftatbestand der Marktmanipulation mit Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werde.
Voraussichtlicher Prozessbeginn im NOx-Verfahren ist am 25. Februar 2021. Zuletzt waren allerdings die Zweifel gewachsen, ob das Verfahren dann wirklich starten kann oder möglicherweise verschoben werden muss, denn Winterkorn soll es gesundheitlich nicht gut gehen. Die Kammer ließ sich zur Verhandlungsfähigkeit Winterkorns bereits von einem Gutachter beraten. Die Hauptverhandlung könnte sich nach bisheriger Planung bis mindestens ins Frühjahr 2023 ziehen.
Winterkorns Anwalt Felix Dörr hatte Anschuldigungen, sein Mandant habe bereits früh über das drohende Ausmaß der Dieselkrise Bescheid gewusst, "mit aller Entschiedenheit" zurückgewiesen: "Herr Prof. Dr. Winterkorn hatte keine frühzeitige Kenntnis von dem gezielten Einsatz einer verbotenen Motorsteuerungssoftware in US-Diesel-Pkw", sagte der Verteidiger. "Wesentliche Informationen, die ihn in die Lage versetzt hätten, bereits bekannte Probleme mit den US-Dieselmotoren zutreffend einzuordnen, erreichten ihn damals nicht."
ah/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
Verfahren wegen Marktmanipulation eingestellt: . In: Legal Tribune Online, 15.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44006 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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