Assistentin klagt gegen internationale Sozietät: Ein­wand­frei auch gegen­über dem Partner

von Tanja Podolski

16.01.2018

Eine Partnerassistentin verklagte eine internationale Kanzlei, weil sie mit ihrem Zeugnis nicht einverstanden war. Teilweise hat sie Recht bekommen. Diverse RAK organisierten vor der Entscheidung eine Umfrage zum Zeugnisbrauch.

Es wäre ein alltäglicher Fall aus dem Arbeitsrecht – wenn es nicht um die Assistentin in einer internationalen Sozietät ginge, die ihre Unzufriedenheit über ihr Zeugnis bis vor das Landesarbeitsgericht (LAG) brachte (1. Instanz AG Düsseldorf, Urt. v. 16.09.2016, Az. 14 Ca 1460/16).

Die Frau war als Partnerassistentin tätig. In dieser Position sollte sie den Partner und sein Team in allen organisatorischen und administrativen Aufgaben unterstützen. Dazu gehörten die Erledigung der externen und internen Korrespondenz in englischer und deutscher Sprache, digitale und analoge Aktenführung und das Termin- und Wiedervorlagenmanagement.

In dem ihr erteilten Arbeitszeugnis hieß es: "Frau […] verfügt über ein fundiertes und breit gefächertes Fachwissen und identifizierte sich stark mit ihren Aufgaben. Sie hat eine schnelle Auffassungsgabe, die es ihr ermöglicht, auch komplexe Vorgänge innerhalb kurzer Zeit zu erfassen und umzusetzen. Dabei arbeitet sie stets sehr sorgfältig und zügig. […] Die Leistungsbereitschaft von Frau […] ist auch über die üblichen Bürozeiten hinaus sehr gut. Sie ist eine stets motivierte, zuverlässige und verantwortungsbewusste Mitarbeiterin. […] Ihr  Verhalten gegenüber den Rechtsanwälten, Kollegen und Mandanten war zu jeder Zeit einwandfrei. […] Frau […] hat alle ihre Arbeiten in unserer Sozietät stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und hat das in sie gesetzte Vertrauen jederzeit gerechtfertigt."

Umfrage bei den internationalen Sozietäten

Das reichte der Assistentin nicht. Sie wollte, dass der Satz "Dabei arbeitet sie stets sehr sorgfältig und zügig" um das Wort "selbständig" ergänzt wird. Für die Erwähnung dieser Arbeitseigenschaft bestehe in Nordrhein-Westfalen für die von ihr besetzte Position eine tatsächliche Übung (allgemeiner Zeugnisbrauch). Zum anderen wollte sie, dass die Beurteilung dahingehend ergänzt wird, dass ihr Verhalten auch gegenüber den Vorgesetzten jederzeit einwandfrei war. Beiden Begehren ist die beklagte Arbeitgeberin entgegengetreten.

Die "selbstständige" Arbeitsweise müsse nicht erwähnt werden, entschied das LAG Düsseldorf mit nun bekannt gewordener Entscheidung (Urt. v. 29.11.2017, Az. 12 Sa 936/16). Für einen Zeugnisbrauch sei es erforderlich, dass die ausdrückliche Bescheinigung bestimmter Merkmale in einem bestimmten Berufskreis üblich ist. Soweit die Merkmale in besonderem Maße gefragt seien und sie deshalb üblicherweise im Zeugnis erwähnt werden, könne die Nichterwähnung (beredtes Schweigen) ein erkennbarer und negativer Hinweis für den Zeugnisleser sein.

Um herauszufinden, ob bei den internationalen Sozietäten ein derartiger Brauch besteht, wurden die Rechtsanwaltskammern (RAK) Düsseldorf, Köln und für den Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm beteiligt. Diese führten auf Ersuchen des LAG eine Umfrage zu dem behaupteten Zeugnisbrauch bei Rechtsanwaltskanzleien mit internationaler Ausrichtung durch. Das Ergebnis: Der von der Klägerin angenommene Zeugnisbrauch besteht nicht, so das LAG.

Düsseldorf und Köln sehen das unterschiedlich

Das hätte allerdings anders ausgehen können – wären ausschließlich die Antworten aus dem Kammerbezirk Düsseldorf entscheidend gewesen. Die RAK Düsseldorf hatte auf die Bitte des LAG hin 35 Kanzleien aus ihrem Bezirk direkt angeschrieben, von denen sie es für möglich hielt, dass sie international arbeiteten. Zudem hatte sie in ihrem Newsletter auf die Umfrage hingewiesen. 27 Kanzleien hätten schließlich verwendbare Antworten geschickt, erklärt Julia Kindler, Referentin bei der RAK Düsseldorf, auf Anfrage der LTO. "Davon haben 15 mitgeteilt, sie würden das Attribut 'selbstständiges Arbeiten' in ihren Zeugnissen verwenden", sagt sie weiter. Zehn international tätige Kanzleien verwenden es nicht, zwei bemühen den Einzelfall. Allerdings achten nur sechs dieser Sozietäten auf dieses Kriterium bei ihren eigenen Einstellungen, für 21 der Teilnehmer an der Umfrage spielt es beim eigenen Recruitment keine Rolle.

Anders das Ergebnis in Köln: Dort waren die Angaben von 23 Kanzleien mit mindestens acht und höchstens 143 Berufsträgern verwertbar. "Sieben Kanzleien sagten, es sei bei diesen Assistenzaufgaben Zeugnisbrauch, das selbstständige Arbeiten zu erwähnen", sagt Rechtsanwalt Martin Huff, Pressesprecher der RAK Köln auf Anfrage der LTO. Die übrigen 15 Teilnehmer halten das für keinen allgemeinen Zeugnisbrauch. Diese Einschätzung entspricht auch der Praxis bei den Einstellungen: "Die Nichterwähnung des selbständigen Arbeitens trotz im Übrigen sehr guter bis guter Leistungs- und Führungsbeurteilung werten 20 - und damit die deutlich überwiegende Zahl der Kanzleien - nicht als Zeichen dafür, dass dieses Merkmal bei der Bewerberin nicht vorliegt", sagt Huff.

Von der RAK für den Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm waren bis zum Redaktionsschluss keine Angaben zu den Umfrageergebnissen zu bekommen.

Beurteilung des Sozialverhaltens

In das Zeugnis muss allerdings das stets einwandfreie Verhalten auch gegenüber den Vorgesetzen aufgenommen werden, entschied das LAG: "Ihr Verhalten gegenüber ihren Vorgesetzten, den beschäftigten Rechtsanwälten, Kollegen und Mandanten war zu jeder Zeit einwandfrei" – so müsse es heißen.

Denn indem über Führung beziehungsweise Verhalten des Arbeitnehmers Ausführungen gemacht würden, gebe das Zeugnis Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber das Sozialverhalten des Arbeitsnehmers beurteilt. Weder Wortwahl noch Auslassungen dürften dazu führen, dass bei den Lesern des Zeugnisses Vorstellungen entstehen können, die der Wahrheit nicht entsprechen, so das LAG.

So liege es bei dem angegriffenen Zeugnis, es fehle die Beurteilung des Verhaltens der Assistentin gegenüber dem ihr vorgesetzten Partner. Zwar ist auch dieser Rechtsanwalt und der Klägerin wurde ein einwandfreies Verhalten gegenüber den Rechtsanwälten bescheinigt. Die Eigenschaft des Vorgesetzten als Partner war jedoch im Zeugnis herausgehoben: Dieser wurde im Text so bezeichnet und unter der Unterschriftszeile stand "Partner".

Damit konnte nach Auffassung des Düsseldorfer Gerichts bei dem Zeugnisleser der Eindruck entstehen, dass die Verhaltensbeurteilung gegenüber dem Partner fehle – und damit negativ war. Das wiederum stehe im Widerspruch zum übrigen Zeugnisinhalt, denn dieser bescheinigte der Klägerin in der Schlussformel eine "sehr gute Zusammenarbeit". Warum dies gegenüber dem Partner anders gewesen sein soll, war für die Kammer nicht ersichtlich.

Das LAG hat die Revision nicht zugelassen.

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, Assistentin klagt gegen internationale Sozietät: . In: Legal Tribune Online, 16.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26499 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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